1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Eisleben: Eisleben: Die Heimkehr des großen Sohns

Eisleben Eisleben: Die Heimkehr des großen Sohns

Von Günter Kowa 09.03.2007, 18:12

Eisleben/MZ. - In großen Lettern stehen Zeilen aus Hans Christian Andersens Gedicht zu lesen, das er 1831 "mit Herzklopfen" über "die kleine Stadt" und Luthers "Haus, arm und gering" schrieb.

Die neue Ausstellung auf der mehr als verdreifachten Fläche setzt in ihrer Inszenierung ganz auf das Konkrete. Nicht mehr die Zeit und das Umfeld in Archivalien und Druckgrafik stehen im Blickfeld, sondern das Kind und der junge Martin Luder, wie es damals hieß, in Elternhaus und Stadt. "Von daher bin ich" überschrieben, führen alle Wege zurück zu den Wurzeln.

Schlaflied der Mutter

Obwohl das Haus, in dem der kleine Martin aufwuchs, schon 1689 zu einer Weihestätte umgebaut wurde, so könnte es in seiner ebenerdigen Raumstruktur mit Diele, Stube, Bettkammer und "Schwarzer Küche" doch "so gewesen sein", wie es im Museumskonzept heißt. Restaurator Thomas Adolphi hat mit Handwerkszeug des 16. Jahrhunderts eine Wiege und andere schlichte Möbel geschreinert. Das Schlaflied der Mutter: Es erklingt im Kopfhörer. Und der Vater - wer war er, der sich mit Martin überwarf, als dieser die Mönchskutte anlegte? Die Landkarte der Gruben des mansfeldischen Montan-Unternehmers legt es nahe: Das war kein Mann für Erweckungserlebnisse.

Dieses Haus führt mitten hinein in die Stadt des jungen Martin. Der Taufstein, wiewohl im 20. Jahrhundert kräftig überarbeitet, steht umringt von Altarbildern; ein Modell rekonstruiert die Straßen und Plätze des späten Mittelalters. Ein unschätzbarer Gewinn sind die gemalten Epitaphien vom Stadtgottesacker, die im 19. Jahrhundert geborgen, seither aber nie zusammen gezeigt wurden. Ausschnittsvergrößerungen offenbaren sie als Bilddokument historischer Stadtansichten.

Die erheblich gesteigerte Präsentation ist allein der baulichen Erweiterung zu verdanken. Der neue Trakt zwischen Lutherhaus und Armenschule ist mehr als eine bloße Verbindung und ein neuer Besucher-Empfang. Der Bau des Berliner Architekten Jörg Springer ist vielmehr ein Agitator in der gewollten emotionalen Annäherung an Luther. Die sinnig angeordneten großen Fenster öffnen beim Rundgang Ausblicke auf Luthers Stadt im Schatten der Taufkirche St. Petri, aber auch auf den lauschigen Hof mit den Anklängen an die Lutherverehrung von ehedem.

In dieses altstädtische Gewebe legt Springer seinen schmalen, kubischen und satteldachgedeckten Bau. Er ist mit Ziegeln massiv gemauert um der natürlichen Klimatisierung willen. Der gezielt ausgewählte dänische Backstein harmonisiert in seiner grauen, rötlich durchschossenen Tönung mit dem Sandsteinmauerwerk des nahen Stadtgrabens, den er überragt, und so wirkt das Haus als hätte es immer schon dagestanden.

Moderne Form

Doch in seiner puristischen Ausstrahlung, im Kontrast der Materialien vom Ziegelmauerwerk und verzinkter Dachhaut, in der Formstrenge seiner Fenster besitzt es dennoch eine klar geäußerte Modernität. Diesen Ansatz teilt es mit dem gegenüber entstandenen Besucherzentrum, dem künftigen Sitz des Fremdenverkehrsvereins sowie den Büros der Stiftung Luthergedenkstätten. Die Ecklage an der Stelle eines untergegangenen Bürgerhauses wird bestimmt von der kubischen Form und einer Dachschräge im Anschluss an das benachbarte Wohnhaus.

4,3 Millionen Euro aus etlichen Fördertöpfen wurden angelegt in ein unbezweifelbar zukunftsträchtiges Projekt touristisch-kultureller Erschließung. Nicht zuletzt die Internationale Bauausstellung (IBA) Stadtumbau wird es vorzeigen als ihr bisher wichtigstes Referenzobjekt. Und das in einer Stadt, der die IBA auch schon ganz andere, höchst umstrittene städtebauliche Medizin verabreicht hat.

Samstag und Sonntag "Offene Tür" von 10 bis 17 Uhr.