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Denkmalschutz Denkmalschutz: Kraftwerks-Ruine in Vockerode verliert ihren Status

Von Thomas Steinberg 09.06.2006, 18:17

Vockerode/MZ. - Vockerode, wenige Kilometer östlich von Dessau an der Elbe gelegen, wäre ein unbedeutender Ort. Stünde nicht in der Gemeinde ein monumentales Kraftwerk. 1996 wurde es zum Industriedenkmal erklärt. Im März 2006 ist dieser Status gefallen. Ohne dass der Eigentümer, der Energie-Konzern Vattenfall, darum gebeten hätte. "Solange es technisch und wirtschaftlich vertretbar ist, streben wir eine Umnutzung alter Immobilien an", versichert Hans-Achim Grube, Immobilienmanager bei der Vattenfall. Mit Erfolg. Der schwedische Konzern hat bislang drei große Denkmalschutzpreise verliehen bekommen.

Grube war es auch, der Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz vor Monaten die Schirmherrschaft für einen großen Studentenwettbewerb zur Nachnutzung des Kraftwerks angetragen hatte. Olbertz sagte ab. Das angrenzende Dessau-Wörlitzer Gartenreich sei dem Land wichtiger. Über einen Rückbau - sprich Abriss - des Kraftwerks würde das Land aber mit Vattenfall reden. Wenige Wochen nach dem Ministerbrief streicht das Landesamt für Archäologie und Denkmalschutz mit Sitz in Halle das Kraftwerk von der Denkmalliste.

Landeskonservatorin Ulrike Wendland, seit Oktober im Amt, begründet dies mit den fehlenden Schornsteinen. 2001 wurden die vier Schlote gesprengt - mit Genehmigung des damaligen Landeskonservators Gotthard Voß. War der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Olbertz-Brief und der Streichung von der Denkmalliste ein zufälliger? Wendland schweigt und verweist ans Ministerium.

Olbertz bestreitet jegliche Einflussnahme seines Hauses; die Denkmalpfleger hätten rein fachlich entschieden, schließlich habe Voß festgestellt, dass ein Kraftwerk ohne Schornstein kein wirkliches Denkmal mehr sei.

Der aber, inzwischen pensioniert, sagt heute: "Vockerode ist ein Denkmal. Auch ohne Schornsteine." Dass er sein Gutachten auf Geheiß des Ministeriums, damals unter Führung von Gerd Harms, zweimal zuungunsten des Kraftwerks ändern musste, wie einst am Verfahren Beteiligte versichern, will Voß nicht bestätigen.

Für Karl Ganser, einst Leiter der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, unter dessen Ägide im Ruhrgebiet viele brachliegende Industrieareale zu Freizeitparks wurden, ist der Vorgang um Vockerode ein "absolutes Novum. Das ist absurd." Normalerweise wolle der Eigentümer den Denkmalschutz weghaben, jetzt trete der Staat an dessen Stelle.

Ganser hatte 2001 wegen der Sprengung der Schornsteine die Annahme eines Kulturpreises verweigert und die Öffentlichkeit mobilisiert. Genutzt hat das so wenig wie 3 000 Protestunterschriften.