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Große Konzerne verdrängen kleinere Unternehmen Große Konzerne verdrängen kleinere Unternehmen: Safthersteller Albi schließt Werk in Magdeburg

Von Steffen Höhne 24.04.2015, 18:15
Das Albi-Werk in Magdeburg wird im Herbst 2015 geschlossen. Die Abfüllanlage soll verkauft werden.
Das Albi-Werk in Magdeburg wird im Herbst 2015 geschlossen. Die Abfüllanlage soll verkauft werden. Albi Lizenz

Magdeburg/Halle (Saale) - Beim Safthersteller Multi 12 läuft alles wie gehabt: Täglich verlassen tausende Saftkartons das Magdeburger Werk. 45 Millionen Einheiten werden jährlich produziert. Doch am 30. September soll Schluss sein. Das Mutterunternehmen Albi kündigte in der vergangenen Woche an, den Betrieb stillzulegen und die Abfüllanlagen zu verkaufen. Für die 44 Mitarbeiter war dies ein Schock, werden doch seit Anfang der 90er Jahre Säfte für den traditionsreichen Markenhersteller abgefüllt. Geschäftsführer Christian Lang begründet den Schritt mit dem rückläufigen Fruchtsaftmarkt und einem enormen Preisdruck in der Branche. Das Aus des Multi-12-Werks reiht sich in eine ganze Reihe von Insolvenzen, Firmenaufgaben und Fusionen in der Branche ein. So ging unter anderem im Oktober 2014 der Fruchtsafthersteller Schlör pleite.

Zahl der selbstständigen Fruchtsaft-Hersteller sinkt

Die Folge: Die Zahl der selbstständigen Fruchtsaft-Hersteller ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Gab es nach Angaben des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie 2005 noch 409 Firmen im Verband, so waren es 2013 nur noch 354. In Sachsen-Anhalt ging die Zahl in den acht Jahren von 23 auf 14 zurück. Nach Worten von Verbandsgeschäftsführer Klaus Heitlinger gibt es mehrere Gründe für diese Entwicklung. Als eine wesentliche Ursache bezeichnet auch er den enormen Preisdruck: „Die vier großen Lebensmittel-Konzerne in Deutschland besitzen eine enorme Einkaufsmacht.“ Aldi, Lidl, Edeka und Rewe teilen sich laut Bundeskartellamt 85 Prozent des Marktes. Entsprechend hoch ist laut Heitlinger das Druckpotenzial.

Ein Unternehmenschef, der nicht genannt werden möchte, sagt der MZ: „Fruchtsaft wird immer mehr zum Billigprodukt“ Akzeptiere ein Produzent die Preisvorstellungen des Handels nicht, werde er ausgelistet. Die Supermarktketten würden Fruchtsäfte häufig als „Aktionsprodukt“ verwenden. „Irgendwer bietet Hohes C immer für 99 Cent an“, so der Firmenchef. Sonst koste die Packung der Konkurrenz 1,89 Euro.

Warum auch die Konsumenten das Problem sind und welche Unterschiede es zwischen den Unternehmen gibt, lesen Sie auf Seite 2.

Nach Einschätzung von Heitlinger ist die Lage der einzelnen Unternehmen allerdings sehr unterschiedlich. Kleine Firmen mit weniger als fünf Millionen Euro Jahresumsatz könnten sich häufig mit regionalen Marken als sogenannte „local heros“ gut behaupten. Schwerer hätten es Mittelständler mit einem Jahresumsatz zwischen fünf und 100 Millionen Euro. „Diese sind zu groß für den regionalen Markt, aber zu klein für einen nationalen Verkauf im Handel.“ Auch in der Saftbranche bestimmen seit mehreren Jahren große Saft-Hersteller wie Eckes mit Hohes C, Wesergold oder Stute den Markt. Die acht größten Produzenten erwirtschaften 75 Prozent des Branchenumsatzes. Eine Marktkonzentration findet also auch hier statt. Im vergangenen Jahr hat der Handelsriese Edeka zudem den Safthersteller Sonnländer aus Rostock aus der Insolvenz übernommen und stellt nun viele Produkte selbst her.

Auch Konsumenten sind das Problem

Es ist aber nicht nur der Handel, sondern auch die Konsumenten selbst, die den Herstellern zu schaffen machen. Die Deutschen sind zwar mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 33 Litern Saft in Europa führend, doch der Konsum sinkt. Vor zehn Jahren wurden noch 43 Liter getrunken. Dies führt zwangsläufig zu Überkapazitäten im Markt.

In prekärer Lage befand sich vor knapp drei Jahren auch der traditionsreiche Safthersteller Libehna in Raguhn bei Bitterfeld-Wolfen. Das Unternehmen meldete Ende Juni 2012 Insolvenz an. Gestiegene Rohstoffkosten konnte die Firma mit damals 45 Mitarbeitern wirtschaftlich nicht mehr stemmen. Dem Unternehmen gelang es allerdings, Investoren zu finden und in den Regalen der Supermarkt-Ketten zu verbleiben oder zurückzukehren. „Wir haben wieder eine solide Basis gefunden“, sagt Geschäftsführer Claus-Christian Diers. 22 Mitarbeiter beschäftigt die Firma heute. Um sich zu behaupten, setzt sie neben der Saftmarke Libehna auf Innovationen. So werden unter anderem Bio-Tees hergestellt. „Das ist ein sehr hochpreisiges Nischenprodukt“, sagt Diers. Diesen eingeschlagenen Weg wolle man fortsetzen.

Keine Zukunft mehr hat das Multi-12-Werk in Magdeburg. Der Mutterkonzern Albi hat allen 44 Mitarbeitern ein Jobangebot am Stammsitz in Bühlenhausen (Baden-Württemberg) gemacht. Dafür soll es auch Umzugshilfen geben, sagt eine Firmensprecherin. Betriebsrat Detlef Wiese glaubt aber nicht, dass viele das Angebot annehmen: „Wessen Familie hier verankert ist oder gebaut hat, der zieht nicht 600 Kilometer weit weg.“ (mz)