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Doping für den Umsatz Doping für den Umsatz: Tour de France ist wieder beliebt bei Sponsoren

Von Jochen Knoblach und Matthias Loke 03.07.2015, 15:23
Am Samstag startet die 102. Auflage der Tour de France. Für Sponsoren ist sie nach Jahren des schlechten Images wieder attraktiv.
Am Samstag startet die 102. Auflage der Tour de France. Für Sponsoren ist sie nach Jahren des schlechten Images wieder attraktiv. AFP Lizenz

Berlin - Willi Bruckbauer hat durchaus ein besonderes Verhältnis zum Radsport. Fünfmal war er bayerischer Meister, dreimal beim Sechs-Tage-Rennen in Berlin dabei, und noch immer spult er im Jahr 7.000 bis 8.000 Kilometer auf dem Rennrad ab. Dass er deshalb ab diesem Sonnabend mit einem eigenen Team bei der Tour de France am Start ist, sei ein Schmarrn, sagt er. Das sei rein geschäftlich. „Ich bin Unternehmer.“

Der 48-jährige Tischlermeister aus Raubling bei Rosenheim in Oberbayern ist Chef und Gründer des Unternehmens Bora, das spezielle Küchendunstabzüge herstellt. Abzüge, die nicht über dem Herd hängen, sondern in den Herd integriert sind und den Dunst nach unten abziehen. Es ist Bruckbauers Erfindung. Er hat sie sich patentieren lassen, vermarktet sie auch selbst. „Die Idee ist zu einfach, zu anders und zu gut, um wieder zu verschwinden“, hat er einmal gesagt und deshalb 2007 die Firma Bora gegründet. Drei Jahre später bekam er den Deutschen Gründerpreis. 

Sponsoring wie für die zweite Fußball-Bundesliga

Mittlerweile hat das Unternehmen rund 100 Mitarbeiter, und es gibt Momente, da kann es Bruckbauer selbst nicht fassen, dass die Firma in den vergangenen Jahren so rasant wuchs. In den meisten Momenten aber geht es dem Bora-Chef nicht schnell genug. Denn zwar hat ihn der Radsport gelehrt, dass Ausdauer für den Erfolg wichtig ist, aber man muss auch sprinten können, weiß er. „Wir haben ein Produkt, das jeder braucht, der eine Küche hat, aber keiner kennt uns“, sagt Bruckbauer. Es ist Zeit für einen Sprint.

Deshalb ergriff der Bora-Chef vor einem Jahr die Gelegenheit, bei dem Münchener Radsportteam Argon als Hauptsponsor einzusteigen. Die Summe hält er geheim, er lässt allerdings wissen, dass Trikotsponsoring für einen Verein der 2. Bundesliga seine Preisklasse wäre. Demnach geht es um rund zwei Millionen Euro. So viel kostete jedenfalls die Trikotwerbung bei Eintracht Braunschweig oder dem FC Ingolstadt in der vergangenen Saison.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, warum die Tour de France 2015 für Willi Bruckbauer ein Sechser im Lotto werden kann.

Radsport erste Wahl in Frankreich, Spanien und Italien

Allerdings wäre der Bundesliga-Auftritt dem bayerischen Unternehmer auch nicht genug gewesen. Zwar ist Deutschland einer der Kernmärkte von Bora, doch Bruckbauer will seine Küchentechnik vor allem in Frankreich, Italien, Spanien und den Benelux-Ländern bekanntmachen. Dafür sei Radsport die erste Wahl, so der Geschäftsmann. Und seine Entscheidung sollte gleich doppelt belohnt werden. Denn Monate nachdem Bruckbauer seine Unterschrift unter den Sponsorvertrag mit dem Rennstall Argon gesetzt hatte, bekam das sogenannte Kategorie-2-Team eine Wildcard und damit die Starterlaubnis für die Tour de France. Doch damit nicht genug: Inzwischen gab auch die ARD bekannt, wieder live bei der Tour dabei zu sein. Das Bild vom Sechser im Lotto möchte Bruckbauer nicht strapazieren. „Das waren zwei absolute Glücksmomente“, sagt er. „Die Reichweite ist unschlagbar.“

Tour de France neuerdings wider eine Investition mit Gegenwert

Was die Tour für sein Unternehmen bedeuten kann, erfuhr er im Frühjahr, als sein Team an Profirennen in Belgien teilnahm. Nachdem die Etappen ganztägig im belgischen Fernsehen übertragen wurden, bekam Bruckbauer ein Dankesschreiben von einem Außendienstmitarbeiter, der ihm mitteilte, dass es keinen Küchenhändler in Belgien mehr gäbe, der Bora nicht kennt. „Unter dem Strich haben wir unseren Umsatz dort weit mehr als verdoppelt“, so Bruckbauer. Und nun die große Tour.

Sponsoren sehen in ihr neuerdings wieder eine Investition mit großem Gegenwert. Immerhin gilt das traditionelle Radrennen nach der Fußballweltmeisterschaft und den olympischen Spielen als das drittgrößte Sportereignis der Welt. Allein Eurosport zählte während der letzten Tour de France 50 Millionen Zuschauer in Europa.

Telekom, Gerolsteiner und Nike kehrten gedoptem Sport den Rücken

Dennoch gingen dem Radsport-Zirkus vor allem nach den Dopingskandalen der Vergangenheit die Sponsoren reihenweise von der Fahne. Die Telekom machte sich ebenso davon wie Gerolsteiner, Würth und Milram. Auch Nike verabschiedete sich. Man wollte nicht mehr mit dem gedopten Sport in Verbindung gebracht werden. Zugleich schrumpfte die Fangemeinde, wie man  beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Repucom  herausfand. Während sich im Jahr 2006 noch 40 Prozent der Deutschen für Radsport interessierten, waren es vor einem Jahr nur noch 19 Prozent. „Das war schon ein enormer Einbruch“, konstatiert Vermarktungsexperte Lars Stegelmann von Repucom.

In der Folge fielen die Preise, wovon auch die ARD profitieren konnte. Musste der Senderverbund vor dem Ausstieg noch rund 20 Millionen Euro für die Übertragungsrechte in den Jahren 2009 bis 2011 zahlen, so bekam die ARD einen Zwei-Jahresvertrag laut Spiegel nun bereits für fünf Millionen Euro, während parallel die Nation ihre Liebe zum Radsport wiederentdeckt. „Allein innerhalb des letzten Jahres stieg das Interesse von 19 auf 24 Prozent“, sagt Stegelmann. Damit werde der Radsport für Sponsoren immer lukrativer. „Die Preise sind aufgrund der derzeitigen Marktposition des Radsports noch vergleichsweise gering“, sagt er.

Jens Voigt: „Das ist eine Riesenwerbung“

Auch der ehemalige Radsportprofi und 17-fache Tour-de-France-Teilnehmer Jens Voigt sieht das so. „Für fünf Millionen Euro bekomme ich in der Formel 1 irgendwo an der Seite eines Autos einen kleinen Aufkleber. Beim FC Bayern darf ich für dieses Geld mit zwei Leuten zur Weihnachtsfeier. Im Radsport bin ich Namensgeber eines Teams und ständig präsent. Das ist eine Riesenwerbung“, sagte er im vergangenen Jahr den Stuttgarter Nachrichten.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was sich der Hersteller von Alpecin von der Tour verspricht und was die Firma während der Rundfahrt mit dem Slogan „Doping für die Haare“ machen wird.

Alpecin will mit seinem Tour de France-Team zur Weltmarke werden

Das weiß man auch bei der Dr. Wolff-Gruppe. Die stellt das Haarpflegemittel Alpecin her und ist auch zum ersten Mal als Sponsor bei der Tour dabei. Bis zu 16 Millionen Euro investiert der Shampoo-Produzent in das Top-Team Giant-Alpecin bis 2018. Eine Menge Geld für ein klares  Ziel: „Wir wollen aus Alpecin eine Weltmarke machen – und die Tour de France hilft uns dabei“, sagt Eduard R. Dörrenberg. Der geschäftsführende Gesellschafter der Unternehmensgruppe ist begeistert von den Werbe-Möglichkeiten der Rundfahrt. Die Marke Alpecin werde damit „in die ganze Welt“ transportiert. Während der Tour sollen gleichzeitig TV-Spots mit Alpecin in 80 Ländern geschaltet werden. „Das wird die größte Kampagne in der Geschichte unseres Unternehmens.“ Der Manager nennt den Radsport „die Speerspitze unserer Internationalisierung“.

Aus Sicht des Unternehmens ist das absolut konsequent. Denn Alpecin (Slogan: „Doping für die Haare. Nur für die Haare“) ist die stärkste Marke der Gruppe. Mehr als ein Viertel des gesamten Umsatzes von 243 Millionen Euro entfällt allein auf Alpecin. Der Umsatz mit dem Mittel wuchs im vergangenen Jahr insgesamt um 22, allein im Ausland um 44 Prozent. In Taiwan sei die Nachfrage sogar so stark gewesen, dass kurzfristig per Flugzeug nachgeliefert werden musste. Was liegt näher, als diese Nachfrage noch zu befeuern. 

„Wahrscheinlich ist der Radsport heute eine der saubersten Sportarten“

Aber was, wenn es in diesem Jahr doch wieder einen  Dopingskandal gibt und die Einschaltquoten in der Keller gehen? Alpecin verzichtet vorsichtshalber während der Fahrt auf den bekannten Werbeslogan. Denn der habe mit dem Radsport nichts zu tun, sondern stehe für die „bekannte Leistungssteigerung von Coffein“. Und Alpecin-Chef Dörrenberger hofft, dass Doping nach den vielen Enthüllungen und Kontrollen diesmal kein Thema sein wird: „Wahrscheinlich ist der Radsport heute eine der saubersten Sportarten, wobei es nie auszuschließen ist, dass Einzelne betrügen.“

Selbst wenn: Einen wirtschaftlichen Nachteil hätte vermutlich kein Sponsor zu befürchten. Als im Jahr 1998 das Team des Schweizer Uhrenherstellers Festina aufgrund positiver Dopingtests von der Tour ausgeschlossen wurde, gab es einen medialen Aufschrei. Für das Unternehmen erwies sich dieser allerdings keineswegs als nachteilig. Der damalige Deutschland-Chef der Uhrenmarke registrierte seinerzeit einen Absatz-Boom. „Die Umsätze unserer Uhren in Deutschland vervielfachen sich. Endlich kennt man uns hier.“

Der Radsport erfreut sich, wie hier bei der Teampräsentation zur Tour de France 2015 in Utrecht, größter Beliebtheit.
Der Radsport erfreut sich, wie hier bei der Teampräsentation zur Tour de France 2015 in Utrecht, größter Beliebtheit.
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Alpecin will mit seinem Tadsportteam Giant-Alpecin seinen Bekanntheitsgrad steigern.
Alpecin will mit seinem Tadsportteam Giant-Alpecin seinen Bekanntheitsgrad steigern.
REUTERS Lizenz