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Britischer EU-Austritt Britischer EU-Austritt: Sachsen-Anhalts Exporteure fürchten möglichen Brexit

Von Rochus Görgen 21.06.2016, 05:23
Maschinen «Made in Germany» sind auf der Insel beliebt: Mitarbeiter der AGCO GmbH in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) montieren einen Maishäcksler von Fendt.
Maschinen «Made in Germany» sind auf der Insel beliebt: Mitarbeiter der AGCO GmbH in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) montieren einen Maishäcksler von Fendt. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Beim Prüfgeräte-Hersteller Zorn Instruments in Stendal blickt man mit Argusaugen auf die Abstimmung am Donnerstag über den Brexit. „Die Vorstellung, dass Großbritannien aus der EU aussteigt, ist verrückt“, sagt Thorsten Hildebrand, der für das internationale Marketing zuständig ist.

„Großbritannien ist nicht lebensentscheidend für unsere Firma, aber als Referenz sehr wichtig.“ Wie viele andere Manager in Sachsen-Anhalt fürchtet auch Hildebrand den Brexit.

Gründe dafür gibt es gleich mehrere. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass Sachsen-Anhalt bislang besonders viele Waren auf die Insel exportiert. Nach einer Übersicht des Statistischen Landesamtes war das Vereinigte Königreich vergangenes Jahr nach Polen der zweitgrößte Exportmarkt für Sachsen-Anhalt.

Insgesamt wurde im vergangenen Jahr für rund 1,2 Milliarden Euro auf die Insel exportiert. Zum Vergleich: Die Exporte nach Russland - die derzeit unter dem Embargo leiden - waren mit knapp 315 Millionen Euro nur ein Viertel so groß. Bundesweit steht bei den wichtigsten Exportmärkten die USA auf Platz 1, Großbritannien folgt nach Frankreich auf Platz 3.

Doch es gibt noch weitere Gründe, warum Sachsen-Anhalt von einem Brexit besonders hart getroffen werden könnte. Die Wirtschaft des Landes und im Osten insgesamt bestehe besonders aus kleineren Firmen, sagt der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Reint E. Gropp. Und diese könnten sich nicht so leicht gegen Wechselkursschwankungen schützen.

„Große Unternehmen sind eher abgesichert.“ So würden große Konzerne oftmals mit Finanzderivaten Wechselkursverluste ausgleichen oder hätten auch in Großbritannien Produktionsstätten. Zudem hätten die Firmen im Westen oft bessere Kontakte in die USA und könnten so Ausfälle bei Exporten nach Großbritannien eher abfedern, sagt Gropp.

Zorn Instruments, die mit 50 Mitarbeitern unter anderem Prüfgeräte für den Gleisbau in Großbritannien herstellen, sehen das auch so. Man setze nicht auf Finanzderivate, sondern wolle sich in der Nische behaupten, sagt Vertriebsmitarbeiter Hildebrand.

Bei einem Austritt Großbritanniens müssten seine Kunden auf der Insel in heimischer Währung wohl rund zehn Prozent mehr bezahlen als bisher. Allerdings hätten die Wechselkurse auch in den vergangenen Jahren schon stark geschwankt - und viele eigene Normen im Gleisbau hätten die Briten trotz EU-Mitgliedschaft auch immer schon gehabt.

Das IWH hat untersucht, wie sich das britische Pfund in den letzten Wochen parallel zu den Umfrageergebnissen entwickelte. Das Ergebnis: Je größer die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens, desto billiger wurde das Pfund. Nun warten die Märkte auf das Ergebnis. „Das könnte nochmal zu einem großen Wechselkurssprung führen“, sagt Gropp.

Weniger Folgen dürfte ein Ausscheiden Großbritanniens für die Förderpolitik der EU haben, sagt Gropp. Zwar ist Großbritannien einer der größten Netto-Zahler in den EU-Haushalt - und ein kleiner werdender Topf würde auch weniger Geld für strukturschwache Regionen bedeuten. Allerdings mache dies nur etwa drei Prozent aus. „Das ist kein Rieseneffekt.“ Im Falle eines Brexit sei es wichtig, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam reagierten, sagt Gropp.

Viele Firmen rechnen bei einem Brexit mit Nachteilen, erklärt auch die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau. „Wir wissen aus Umfragen: Vier von fünf deutschen Unternehmen rechnen mit negativen Folgen, falls es zum sogenannten Brexit kommt. Das sieht hier in der Region ganz ähnlich aus“, berichtet die Geschäftsführerin International, Birgit Stodtko.

„Man macht sich Sorgen, wenn die Briten tatsächlich aus der EU austreten.“ Es drohe das Ende einer Erfolgsgeschichte. „Die sachsen-anhaltischen Exporte über den Ärmelkanal hatten sich in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt. Es ist fraglich, ob es so gut weitergeht, wenn die Briten dem gemeinsamen Markt nicht mehr angehören.“  (dpa)