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Bilanz 2017 für Sachsen-Anhalt Bilanz 2017 für Sachsen-Anhalt: Die Gewinner und Verlierer in der Wirtschaft

Von Steffen Höhne 29.12.2017, 14:34

Halle (Saale) - Mit 2017 geht für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ein turbulentes Jahr zu Ende. Die MZ stellt die Gewinner und Verlierer unter den Unternehmenschefs aus der Region vor.

Die Gewinner des Wirtschafts-Jahres 2017 in Sachsen-Anhalt

Björn Probst (Landesweingut Kloster Pforta): Stillstand ist nicht seine Art: Mit 42 Jahren wurde Björn Probst im September zum neuen Geschäftsführer des „Landesweingutes Kloster Pforta“ bestellt. Mit 46 Hektar ist es der zweitgrößte Weinbaubetrieb im Gebiet Saale-Unstrut.

Gute Weine produziert das Unternehmen schon seit geraumer Zeit. Im Berg und im Keller wird professionelle Arbeit geleistet. Probleme hatte der Betrieb im Besitz des Landes eher mit der Vermarktung und der betriebswirtschaftlichen Steuerung. Probst soll nun mit neuem Schwung die Geschäfte führen. Nach dem Weinbaustudium war er eine Zeit lang als „Fliegender Weinmacher“ unterwegs und hat in mehreren Gütern ausgefallene Kellermeister ersetzt. Seine Erfahrung soll er nun einbringen, denn es stehen Großprojekte an. So will das Landesweingut unter anderem einen neuen Weinkeller bauen. Eine Aufgabe, die Probst reizt.

Lucas Flöther (Kanzlei & Wissing): An die Spitze gelangt: Wenn ein Insolvenzverwalter  zu den Aufsteigern zählt, dann hat das für Unternehmen meist nichts Gutes zu bedeuten. So auch bei dem halleschen Anwalt Lucas Flöther, der in diesem Jahr die  Insolvenzfälle der Fluggesellschaften Air Berlin und Niki übernommen hat.

Flöther ist der einzige Ostdeutsche, der bereits seit längerer Zeit in der ersten Liga der deutschen Verwalter mitspielt. Mit Air Berlin hat er im Herbst nun den größten und  medienwirksamsten Insolvenzfall des Jahres in Deutschland bekommen. Flöther ist mehr als ein Firmenbestatter. Sein Credo lautet: Das Ganze ist meist mehr Wert als die einzelnen Teile. Und so versucht er oft, zu sanieren anstatt zu zerschlagen. Bei Air Berlin kam aber jede Hilfe zu spät. Da es in Ostdeutschland nicht so viele Großunternehmen gibt, wird sich erst noch zeigen müssen, ob Flöther die neue Höhe auch halten kann.

Robin Pietsch (Restaurant „Zeitwerk“): Die Ehre gerettet: Sachsen-Anhalt hat wieder ein Sterne-Restaurant. Der Restaurantführer Guide Michelin hat das Wernigeröder „Zeitwerk“ und seinen Spitzenkoch Robin Pietsch in diesem Jahr geadelt. Mit nur 29 Jahren gehört der Harzer zu den jüngsten Sterneköchen Deutschlands.

Er hat gleich zwei Ausbildungen gemacht: eine zum Konditor und eine zum Koch. Bereits mit 23 Jahren eröffnete er sein eigenes Restaurant. Pietsch serviert seinen Gästen Steakhüfte, 24 Stunden lang bei 45 Grad gegart, bestrichen mit Gorgonzolacreme, oder ein Schweinebauchragout, 13 Stunden gegart, mit kandiertem Sellerieblatt. Seine Kost ist besonders. Abgehoben ist er deswegen nicht. Noch immer steht er auch in der Küche und schält Kartoffeln, verriet er vor kurzem der MZ. Das findet auch sein Team gut. Denn hinter jedem Spitzenkoch steht eine professionelle Mannschaft.

Frank Küntzle (Arti-Back): Wieder zurück im Spiel: Vor den Toren Halles wächst derzeit eine neue Tiefkühlbackwaren-Fabrik. Im kommenden Jahr will der Unternehmer Frank Küntzle in dieser rustikale Brote und Brötchen herstellen. Rund 40 Millionen Euro werden in das neue Werk von Arti-Back investiert, und die deutsche Backwaren-Branche schaut interessiert zu.

Denn Küntzle ist kein Unbekannter. Nach der Wende baute er zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder bereits in Eisleben (Mansfeld-Südharz) den Tiefkühlbackwaren-Hersteller Klemme auf. Innerhalb von 20 Jahren wuchs die Belegschaft von 15 auf 1 400 Mitarbeiter. 2013 verkaufte die Familie das Unternehmen dann überraschend an den Schweizer Backriesen Aryzta. Küntzle zog sich ins Privatleben zurück. Doch ganz ohne Mehl an den Händen kann der Mittvierziger es wohl doch nicht aushalten. Nun erfolgt ein Neustart. 

Die Verlierer des Wirtschafts-Jahres 2017 in Sachsen-Anhalt

Ralf-Peter Schade (Café Schade): Von Tradition kann man nicht leben: Es war nicht nur eine Konditorei. Das Café Schade ist in Halle eine Institution gewesen. Bereits 1586 hatte in Wettin das erste Café der Schade-Dynastie geöffnet, Ralf-Peter Schade führte den Betrieb in zwölfter Familiengeneration.

Doch dann kam das Hochwasser 2013. Das Stammhaus mit der Produktion versank in den Fluten der Saale. Der Torten-König musste auf seine zwei Filialen ausweichen. Doch dort waren die Räumlichkeiten eng, und die Mietverträge ließen keine Produktion zu. So verlor das Café Stammkunden und Geld, das für Investitionen dringend gebraucht wurde. Ein neuer Investor sollte die Wende bringen, doch die Parteien zerstritten sich. Hinzu kommt: Von einem schönen Stück Torte allein kann heute kaum ein Konditor mehr leben. Also zog sich Schade zurück, was viele Hallenser sehr schade finden.

Heinrich von Nathusius (Fahrradhersteller Mifa): Vom Held zum Buhmann: Es  ist die bitterste Niederlage in seinem langen und  erfolgreichen Berufsleben gewesen. Anfang des Jahres musste der damals 74-jährige Unternehmer Heinrich von Nathusius Insolvenz für den Fahrrad-Hersteller Mifa aus Sangerhausen anmelden.

Der teure Bau einer neuen Fahrrad-Fabrik und unerwartet niedrige Umsätze führten zu einer finanziellen Schieflage. Zwei Jahre vorher hatte von Nathusius das Unternehmen erst aus einer Pleite heraus gerettet und wurde als Held gefeiert. Als er Anfang 2017 selbst Hilfe benötigte, stand niemand mehr bereit. Das lag auch an von Nathusius selbst, der den Autozulieferer Ifa wieder groß gemacht hat. Der Unternehmer ging  davon aus, auch das Fahrrad-Geschäft über Nacht zu lernen und erfolgreich zu sein. Dennoch bleibt er engagiert:  In das neu gebaute Mifa-Werk zieht nun Ifa ein und schafft 80 neue Arbeitsplätze.

Wolfgang Topf (Stahlbaufirma IMO): Verbandschef steuert in die Pleite: Wolfgang Topf ist über Jahrzehnte ein Vorzeige-Unternehmer gewesen. Sein mittelständisches Stahlbau-Unternehmen IMO mit einst 300 Mitarbeitern florierte, und er stand von 2009 bis 2016 als Präsident der Industrie- und Handelskammer Leipzig vor.

Als Verbandschef wetterte Topf früh gegen die  Kosten der Energiewende und  das Russland-Embargo. Es war auch ein Hilferuf in eigener Sache, wie sich später herausstellte. Denn seiner Leipziger Firma  brachen im klassischen Kraftwerksgeschäft die Aufträge weg. Auch die gegen Russland verhängten Sanktionen belasteten IMO. Im Juli hatte sich die Lage so angespannt, dass das Unternehmen in Insolvenz ging und nun wohl auch zerschlagen wird. Für den 68-jährigen Topf ist das ein schmerzhaftes Ende des Berufslebens. Seine Verdienste als ostdeutscher Unternehmer bleiben.

Frank Asbeck (Solarworld): Öko-Pionier gibt nicht auf: Die größte Pleite in Mitteldeutschland hat Frank Asbeck hingelegt. Der Gründer und Chef der Photovoltaik-Firma Solarworld musste wegen zu hoher Schulden Insolvenz für das Unternehmen mit Werken in Freiberg (Sachsen) und Arnstadt (Thüringen) anmelden.

Jahrelang lebte Solarworld von den hohen Solarsubventionen gut, doch rückläufige Förderungen und die starke Konkurrenz aus Asien belasten  den einstigen Börsenstar. Doch Asbeck ist zäh und gewieft. Mit Kapital von Scheichs aus Katar kaufte er die Fabriken aus der Insolvenz zurück und macht nun weiter. Ein Großteil der Mitarbeiter blieb dabei aber auf der Strecke. Nur 475  der vormals 1 850  Beschäftigten in Deutschland behalten ihren Job. Doch in der Wirtschaft ist alles offen. Vielleicht hat der frühere Sonnenkönig aus der Pleite gelernt und führt Solarworld nun zu neuen Erfolgen. (mz)