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Mifa-Chef verhebt sich Mifa-Chef verhebt sich: Darum scheitert Unternehmer Heinrich von Nathusius

Von Steffen Höhne 05.01.2017, 09:00
Unternehmer Heinrich von Nathusius
Unternehmer Heinrich von Nathusius Schumann

Sangerhausen - „Ich möchte mich jetzt nicht äußern. Ich bin im Urlaub.“ Sprach’s und legte den Telefonhörer auf. Heinrich von Nathusius will jetzt wohl erst einmal viel Abstand gewinnen. Am Dienstag trat er als Geschäftsführer des Fahrrad-Herstellers Mifa-Bike zurück. Einen Tag später meldete das Unternehmen aus Sangerhausen Insolvenz in Eigenverwaltung an. Es ist wohl eine der bittersten Niederlagen des 74-Jährigen in seiner langen und bisher erfolgreichen Berufslaufbahn. Noch vor zwei Jahren wurde der groß gewachsene Mann mit dichtem, grauem Haar als Retter der Mifa gefeiert. Nun ist er gescheitert. Nicht nur die 500 Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Die Mifa ist eines der größten Unternehmen im wirtschaftlich schwachen Landkreis Mansfeld-Südharz. Woran ist die traditionsreiche Firma gescheitert und wie sieht die Perspektive aus?

Der Fahrrad-Hersteller ging bereits 2014 insolvent. Verantwortlich waren damals Unregelmäßigkeiten in der Bilanz. Dem halleschen Insolvenzverwalter Lucas Flöther gelang es allerdings, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren. Gleich mehrere Landespolitiker und Banker baten von Nathusius, bei Mifa einzusteigen. Der gebürtige Berliner, der im Westen als Stahlmanager Karriere machte, hatte nach der Wende bereits den Gelenkwellen-Hersteller Ifa aus Haldensleben (Börde) wieder zu einem erfolgreichen Autozulieferer aufgebaut.

Von Nathusius hatte die Geschäfte bei Ifa bereits an Sohn Felix und seine zwei Töchter abgegeben. Eigentlich plante der Unternehmer, mit seiner Frau auf Foto-Safari zu gehen. Stattdessen stürzte er sich Anfang 2015 in das unternehmerische Abenteuer Mifa. Seine drei Kinder stiegen als Gesellschafter bei dem Fahrrad-Hersteller ein.

Umsätze von Mifa liegen hinter den Erwartungen zurück

Damit verbunden war eine klare Vision: Von Nathusius wollte Mifa zu einem der effizientesten Fahrrad-Hersteller der Welt machen. Er sieht die Zukunft im Elektro-Fahrrad. Das wird nach seiner Ansicht in den kommenden Jahrzehnten in der weltweiten Mobilität deutlich an Bedeutung gewinnen. Von dem Konzept überzeugte er seine Kinder und vor allem das Land Sachsen-Anhalt, das über Kredite und Zuschüsse sein Vorhaben mit Millionen Euro finanzierte.

Doch unterschätzte oder übersah der Unternehmer offenbar die Mühen des Alltagsgeschäfts. „Er hat den dritten und vierten Schritt vor dem ersten gemacht“, sagt eine mit den Vorgängen vertraute Person, die nicht mit Namen zitiert werden möchte. Um seinen Traum zu verwirklichen, ließ von Nathusius für 17 Million Euro vor den Toren von Sangerhausen eine neue Fabrik errichten. Die Produktion startete erst vor zwei Wochen.

Neue Fabrik: Mifa konnte sich Investition offensichtlich nicht leisten

Doch leisten konnte sich das Unternehmen diese Investition offensichtlich nicht. Hinzu kamen Managementfehler. Unter anderem konnte das Unternehmen im Frühjahr die Nachfrage bestimmter Händler nicht bedienen. Die Umsätze bleiben hinter den Erwartungen zurück. Insgesamt liefen 2016 rund 400 000 Räder vom Band.

Bereits im Sommer musste die Familie von Nathusius einen zweistelligen Millionenbetrag in das Unternehmen stecken, um die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Doch das reichte nicht aus. Im Herbst wurden Kredite fällig, die Mifa nicht bedienen konnte. Die Banken forderten daraufhin ein Sanierungsgutachten, das eine Fortführungsperspektive aufzeigen sollte. Bis Ende 2016 lag dieses aber nicht vor. Die Banken forderten daraufhin die fälligen Kredite zurück. Am Ende blieb nur der Gang zum Insolvenzgericht. In der Familie von Nathusius war es offenbar schon zuvor zum Streit über den Kurs gekommen. Das „unternehmerische Denkmal“ zum freiwilligen Rückzug zu bewegen, gelang Felix von Nathusius aber offenbar nicht. Bis zuletzt glaubte Heinrich von Nathusius, die Banken und das Land Sachsen-Anhalt würden Mifa schon mit frischem Geld versorgen. Das war offensichtlich ein Irrtum.

Eigener Manager soll die Restrukturierung von Mifa leiten

Nun hat das Unternehmen eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Das heißt, ein eigener Manager soll die Restrukturierung leiten. Dafür hat Mifa den Sanierungsexperten Joachim Voigt-Salus engagiert. Dieser sagte am Mittwoch: „Ich sehe eine Perspektive für das Unternehmen.“ Die Familie von Nathusius habe angekündigt, weiter zum Unternehmen zu stehen, so Voigt-Salus weiter. Seine erste Aufgabe wird es sein, verunsicherte Zulieferer und Kunden zu beruhigen, damit die Geschäfte weiterlaufen.

Gläubiger sind gesprächsbereit

Ihm zur Seite wird der vom Gericht ernannte Sachverwalter Lucas Flöther stehen. Der erfahrene Insolvenzverwalter kennt das Unternehmen, zudem hat er zuletzt erst beim Leipziger Internet-Unternehmen Unister wieder gezeigt, dass er in der Lage ist, schnell Investoren zu finden.

Am Ende wird für Mifa sehr entscheidend sein, wie sich die Gläubiger verhalten. Von dieser Seite gibt es positive Signale. Der Vorstandschef der landeseigenen Investitionsbank, Manfred Maas, erklärte: „Eine Sanierung hat Vorrang gegenüber einer Zerschlagung.“

Felix von Nathusius will fortsetzen, was sein Vater bei Mifa angefangen hat

Felix von Nathusius hat offenbar - trotz Meinungsverschiedenheiten über die Führung von Mifa - Interesse das fortzusetzen, was sein Vater angefangen hat. Auch der Junior geht davon aus, dass die Elektro-Mobilität künftig das Transportwesen verändern wird. Ob Gelenkwellen in Autos in der neuen Welt noch diese Bedeutung haben, ist unsicher. Fahrräder mit Elektro-Antrieb sind dagegen ein wachsender Markt, der noch deutlich größer werden könnte. Das heißt: Die Zeit von Mifa muss noch längst nicht abgelaufen sein. (mz)

Im neuen Werk des Sangerhäuser Unternehmens lief gerade die Produktion an.
Im neuen Werk des Sangerhäuser Unternehmens lief gerade die Produktion an.
Jürgen Lukaschek