Streik Streik: Durchhalten für wenig Geld
Leppersdorf/dpa. - Mehrere hundert Bauern aus dem gesamten Bundesgebiet protestieren am Montag vor Europas größter Molkerei Sachsenmilch, um wenige Cent mehr für den Liter Milch zu bekommen. Riesige Traktoren und Schlepper mit süddeutschen Kennzeichen, aber auch aus Brandenburg und Sachsen blockieren die Zufahrtstraßen. Alle Verbindungen von und zur Autobahn und selbst Schleichwege sind dicht. Seit Sonntag stehen die Milchbauern hier und sie wollen ausharren.
«Wir bleiben solange, bis ein akzeptabler Preis vereinbart wurde», sagt der Brandenburger Sven Zerbin. Dem 36-Jährigen ist anzumerken, wie ihn die Untätigkeit, zu der er hier verdammt ist, wurmt. Zu Hause in der Priegnitz bleibt die Arbeit liegen. Zwar kümmert sich seine Frau unterdessen um die 150 Milchkühe. «Aber wir werfen die Milch sowieso nur weg. Kein Mensch kann bei diesen Preisen durchhalten», sagt er resignierend. «Doch Bauern sind zäh. Wir halten hier durch, bis es endlich eine Zusage gibt.» Die Molkereien zahlen derzeit etwa 27 bis 35 Cent je Liter. Mindestens 40, besser 42 oder 43 Cent, halten die Bauern für erforderlich.
«Von den derzeitigen Preisen kann niemand leben», pflichtet Jens Gerloff bei. Der 43-jährige Milchbauer aus Teetz (Brandenburg) hat nach der Wende den elterlichen Betrieb übernommen und ausgebaut. «Die Milch ist unsere einzige Einkommensquelle», sagt der Halter von etwa 100 Kühen. Ein paar Cent mehr oder weniger zu verdienen, entscheide über den Lebensunterhalt seiner Familie, sagt er mit bitterer Stimme.
«Für jede Arbeit muss es den gerechten Lohn geben», sagt der bayrische Landwirt Josef Hägler. «Wir sollen unter Selbstkostenpreis arbeiten. Das tut sonst niemand in Deutschland.» Auf den Höfen werde oft von der Substanz gelebt. «Wenn nicht die Frau, die Kinder und sogar die Altenteiler mithelfen, wäre das nicht mehr machbar», ergänzt sein junger Kollege. Ob er den väterlichen Betrieb guten Gewissens mal in die Hände seiner Kindern geben kann, weiß er noch nicht. «Wir wollen wieder eine Perspektive haben», betont auch Hägler.
Zu dem Unternehmen des Müller-Milch-Konzerns, bei dem an normalen Tagen fast im Minutentakt Milchtankwagen ankommen und ihre kostbare Fracht entladen, dringt keine frische Milch durch. Innerhalb von 24 Stunden werden hier üblicherweise etwa 4 Millionen Liter Milch aus der Region zu H-Milch, Käse, Joghurt und Milchpulver verarbeitet. Ob die Produktion noch läuft und für wieviele Tage die Milch in den riesigen Kühltürmen noch ausreicht, darüber schweigt das Unternehmen.
«Irgendwo werden die Milchwagen an der Autobahn stehen», meint ein Bauer, der gehört hat, dass einige Kollegen Sachsenmilch weiter beliefern wollen. Bei der Hitze könne sich jeder vorstellen, was mit der Fracht geschehe, sagt er lächelnd. «Die Reinigung des Tanks dauert dann schon seine Zeit.»