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Terror-Fall Anis Amri Terror-Fall Anis Amri: Schlampige Ermittlungen: LKA-Chef räumt gravierende Pannen ein

15.12.2017, 17:00
Anis Amri
Anis Amri dpa

Köln - Die Ermittlungspannen im Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri reißen nicht ab. So übt der Chef des Landeskriminalamts (LKA), Frank Hoever nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einem internen Bericht an das Innenministerium massive Kritik an seinen Fahndern. Schlampige Ermittlungen, „eine unzureichend geschulte Ermittlungskraft, zu geringer Personaleinsatz“ hätten dazu geführt, dass die Auswertung der Daten aus einem beschlagnahmten Handy des Terroristen „ nicht vollumfänglich, gründlich und zeitgerecht erfolgt“ sei.

So seien gut 10.000 Dateien und Bilder von schlechter Qualität gar nicht erst geprüft worden. „Eine komplette Datenauswertung sei aber „dringend geboten gewesen“, heißt es in dem LKA-Report. Auch habe man viel zu lange für die Analyse gebraucht. Schließlich, resümiert Hoever, hätten sich bei einem neuerlichen Einsatz der modifizierten Auswertungssoftware „gegebenenfalls neue Erkenntnisse für Strafverfolgung und/oder Gefahrenabwehr ergeben können.“ Dieses Fazit legt nahe, dass man bei einer neuerlichen Prüfung womöglich den Lkw-Anschlag am 19. Dezember 2016 auf den Berliner Weihnachtsmarkt hätte verhindern können.

Fehlerhafte Analyse des konfiszierten Mobiltelefons Amris

Im Kern zielt die Kritik des neuen LKA-Präsidenten auf die fehlerhafte Analyse eines neun Monate zuvor konfiszierten Mobiltelefons des tunesischen Asylbewerbers ab. Die Terrorfahnder der Ermittlungskommission „Ventum“ hatten Selfies von Amri mit Schusswaffen oder Stichwaffen entweder übersehen oder den Fotos schlichtweg keine Bedeutung zugemessen. So waren nach Informationen dieser Zeitung bereits bei der ersten Auswertung zwei Aufnahmen entdeckt worden, die Amri mit einer Machete nebst dem erhobenen linken Zeigefinger zeigen. Letzteres gilt als Indiz für eine mögliche Zugehörigkeit zur Terror-Miliz IS. Auf dem zweiten Bild schwingt der Islamist ein großes Messer im Beisein eines Glaubensbruders. Die Ermittler maßen dieser martialischen Pose keine Bedeutung zu. Hoever bewertet die damalige Fehldeutung in seinem Bericht „als defizitär“.

Das Handy hatten Staatsschützer des LKA Berlin am 18. Februar 2016 bei Amri beschlagnahmt. In der Folge wurde das Mobiltelefon durch die Berliner und Düsseldorfer Kollegen automatisiert ausgewertet. Dabei übersahen beide Stellen fünf brisante Fotos, die von der damaligen Version der UFED-Software nicht erkannt wurde. Erst bei einem neuerlichen Durchlauf vor drei Wochen entdeckte das LKA -NRW mit einer verbesserten Software weitere 13767 Bilder. Daraufhin begutachteten die Ermittler mittels „Vier-Augen-Prinzip“ jedes einzelne Foto. Dabei fanden sich unter anderem Selfies, die Amri mit einer Pistole und einer Schreckschusswaffe zeigten. Wer weiß, ob Amri weiter auf freiem Fuß geblieben wäre, hätte man diese Aufnahmen bereits im Frühjahr 2916 entdeckt?

Berliner Sicherheitsbehörden haben nicht besser gearbeitet

Der LKA-Report stellt jedoch auch fest, dass die Berliner Sicherheitsbehörden nicht besser gearbeitet hätten: Die Beamten in der Hauptstadt machten sich offenbar keine Mühe, das Handy detailliert auszulesen. Als die Düsseldorfer bei ihren Berliner Kollegen um das Ergebnis der Auswertung baten, teilten diese mit. Diese sei noch nicht abgeschlossen. Und das knapp ein Jahr nach der tödlichen Lkw-Fahrt des Anis Amri.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht sich durch den neuen LKA-Report in seiner Kritik an dem Versagen seiner Terror-Abwehr bestätigt. Der Vorsitzende des Amri-Untersuchungsausschusses, Jörg Geerlings, wollte sich zunächst nicht äußern. „Wir werden den LKA-Bericht zunächst einmal prüfen“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete.