Studie über Ostdeutsche Studie über Ostdeutsche: Mehrheit fühlt sich nicht als Bundesbürger

Berlin/dpa. - Die große Mehrheit der Ostdeutschen fühlt sichnoch immer nicht in der Bundesrepublik zu Hause. Das geht aus einemam Freitag in Berlin vorgestellten Bericht desSozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburghervor. Demnach fühlt sich nur jeder fünfte Ostdeutsche als richtigerBundesbürger. «Man kann von einer neuen Ost-Identität sprechen»,sagte der Herausgeber der Studie, Gunnar Winkler. Im Vergleich zu denVorjahren schwinde die Zufriedenheit im Osten.
Die Ost-Identität beruhe weniger auf der gemeinsamen Vergangenheitals vielmehr auf den ähnlichen Lebensverhältnissen. «Da ist nichtsNostalgisches dran», betonte Winkler. Zwei Drittel der befragtenOstdeutschen sagten, dass sie weder die DDR wieder haben wollten nochsich in der Bundesrepublik richtig wohl fühlten. Gut 40 Prozentfühlen sich mit Ostdeutschland stark verbunden. «Einen großen Sprunggab es außerdem bei der Verbundenheit mit Europa», bemerkte Winkler.Das sei vor allem mit der Einführung des Euros zu erklären.
Die Arbeit gilt in Ostdeutschland unverändert als hohes Gut: Rund98 Prozent halten sie für wichtig oder sehr wichtig in ihrem Leben.Dabei war jeder zweite der 18- bis 59-Jährigen seit 1990 schonmindestens einmal arbeitslos. «Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarktbestimmt in hohem Maße ostdeutsche Befindlichkeiten», sagte Winkler.
Der Anteil der Zufriedenen ist von 59 Prozent im Jahr 1999 auf 48Prozent gesunken. Von «den» unzufriedenen Ostdeutschen könne abernicht die Rede sein, sagte Winkler. «Die Stimmung im Osten ist nunnicht mehr besser als die Lage, sondern der Lage angepasst.» Alsdramatisch bezeichnete er die schwindenden Erwartungen an die eigeneZukunft. Nur 16 Prozent rechnen mit einer Verbesserung ihrerwirtschaftlichen Situation in den nächsten fünf Jahren, 27 Prozentgehen von einer Verschlechterung aus.
Der Sozialreport verzeichnet außerdem eine Veränderung derBevölkerungsstruktur in Ostdeutschland. Seit 1990 seien 2,5 MillionenMenschen abgewandert. Im vergangenen Jahren lag das Defizit bei rund104 000 Menschen. Wegen der Abwanderung und der sinkendenGeburtenrate sei das Durchschnittsalter in den Ostländern von 38,4(1990) auf 42,4 (2000) gestiegen und liege nun über dem der altenBundesländer (41,4).
Erkennbar sei im Wahljahr auch ein gestiegenes Interesse anPolitik. Allerdings seien 38 Prozent davon überzeugt, dass diePolitik immer die gleiche sei, unabhängig von der aktuellenRegierung. Die Gefahr des Rückzugs in eine «Zuschauerdemokratie» seiOstdeutschland weiterhin vorhanden.
Der etwa 200 Seiten starke Sozialreport basiert auf einerBefragung von mehr als 2000 Ostdeutschen im Mai und Juni 2002.