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Staatsrechtler Battis Staatsrechtler Ulrich Battis zu Erdogan: "Ich halte 'Ziegenficker' auch für geschmacklos"

12.04.2016, 10:32
Jan Böhmermann bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.
Jan Böhmermann bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises. dpa

Herr Battis, Herr Erdogan hat Herrn Böhmermann jetzt angezeigt – und zwar höchst persönlich. Was ist davon zu halten?

Battis: Das ist sein gutes Recht. Er fühlt sich beleidigt. Da kann er auch Strafantrag stellen. Entscheidend ist, ob die Bundesregierung dem Begehren nach Strafverfolgung nachgibt oder nicht.

Herr Erdogan hat ja schon vorher eine Verbalnote an die Bundesregierung geschickt. Sind das getrennte Vorgänge? Oder gehört das zusammen?

Das gehört zusammen.

Und nun muss die Bundesregierung entscheiden, ob ermittelt werden kann oder nicht.

So ist es. Und da hat sie durchaus Gestaltungsspielraum und ist keineswegs nur Notar. Dabei spitzt es sich auf die Frage zu, ob die Meinungsfreiheit hinter der Staatsräson zurück steht – bei der politischen Bedeutung, die die Türkei im Moment hat. Frau Merkel hat ja schon signalisiert, dass sie das, was Böhmermann gemacht hat, für geschmacklos hält.

Ich halte das mit dem „Ziegenficker“ auch für geschmacklos. Ich würde deshalb empfehlen, dass sich die Bundesregierung noch einmal förmlich distanziert und den Vorfall bedauert, aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung, die die Meinungsfreiheit bei uns hat, ein Strafverfahren unterbindet.

Und wenn die Bundesregierung es doch zulässt?

Dann kommt es zum Verfahren. Und das Urteil könnte dann lauten, dass zwar eine Beleidigung gegeben ist, man es aber bei einer symbolischen Strafe belässt. Wenn ich Böhmermanns Anwalt wäre, würde ich jedenfalls eine offensive Strategie fahren und sagen: Das Ganze muss im Kontext gesehen werden. Und der Kontext ist, dass die türkische Regierung im Allgemeinen und Erdogan Im Besonderen repressiv gegen Journalisten und Künstler vorgeht, was mit unseren Werten völlig unvereinbar ist.

Ziel der Aktion von Böhmermann war, das zu verdeutlichen. Außerdem: Jeder dritte Rapper singt von „Motherfucker“. Und „Motherfucker“ ist schlimmer als „Ziegenficker“.

Wenn es zur Verhandlung käme: Müsste Erdogan dann eigentlich persönlich erscheinen?

Nein.

„Normalerweise wäre das lächerlich“

Es gibt noch einen dritten Vorgang. Denn angeblich hat Erdogan von Böhmermann auch eine Unterlassungserklärung gefordert. Was hat das denn zu bedeuten?

Das gehört dazu und ist in solchen Fällen nichts Besonderes. Eine Unterlassungserklärung habe ich auch schon bekommen.

Sollte Böhmermann die unterschreiben?

Das ist eine prozesstaktische Frage und hängt davon ab, wie sich das Ganze weiter entwickelt. Das ZDF hat ja de facto schon eine Unterlassungserklärung abgegeben, in dem es den entsprechenden Filmausschnitt aus der Mediathek genommen hat.

Wie lautet Ihr Fazit?

Ich würde dafür plädieren, dass Böhmermann nicht bestraft wird – und wenn, dann allenfalls symbolisch. Im Übrigen sollten wir darüber reden, ob wir den entsprechenden Straftatbestand der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter – wie ihn Paragraf 103 Strafgesetzbuch vorsieht, der eine Höchststrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe ermöglicht – überhaupt noch brauchen. Früher hieß das Majestätsbeleidigung. Daran sieht man: Das stammt aus einer anderen Zeit.

Ist das Ganze eine Staatsaffäre?

Normalerweise wäre das lächerlich. Durch die gegenwärtige Abhängigkeit von der Türkei im Rahmen der Flüchtlingskrise bekommt das nun aber Wucht. Das ist auch der Grund, warum Böhmermann es überhaupt gemacht hat. Der war sich dessen schon bewusst.