Saudi-Arabien Saudi-Arabien: Blicke durch den Schleier in Buraida

Buraida/dpa. - Buraida, 340 Kilometer nördlich der Hauptstadt Riad gelegen, isteine Hochburg der ultrakonservativen Wahabiten. Hier haben einigeMenschen Verständnis für die jungen El-Kaida-Anhänger, die das Tötenwestlicher Ausländer und saudi-arabischer Polizisten zu ihremLebenszweck erklärt haben. Zwar haben die Razzien rund um die Stadtseit etwa eineinhalb Jahren zugenommen. Mehrere Verdächtige wurden inBuraida getötet oder festgenommen. Doch der Geheimdienst hat hierbesonders viel Mühe, in die geschlossenen Zirkel der Extremisteneinzudringen. «Vor allem Islamisten, die aus der Stadt selbststammen, können sich in der Regel auf die Loyalität ihrerStammesangehörigen verlassen, selbst wenn diese ihre Ziele nichtwirklich gutheißen», sagt ein junger Marketingexperte aus Buraida.
Glaubt man den Berichten der Einwohner, so hat keine andere StadtSaudi-Arabiens so viele Kämpfer in den «Heiligen Krieg» geschickt wieBuraida. Sie gingen nach Afghanistan, Tschetschenien, Bosnien und inden Irak. Rund die Hälfte von ihnen sei nicht zurückgekehrt, heißtes. Die Rückkehrer brachten von ihren «Dschihad-Expeditionen» oftEhefrauen mit. «Vor allem die Frauen aus Afghanistan und Pakistanhaben sich in die hiesige Gesellschaft gut integriert», erklärt eineLehrerin in Buraida. «Kein Wunder», spottet eine junge Journalistinaus Riad, «weil da so viele Radikale wohnen, nennen wir Buraidasowieso nur noch Kandahar oder Tora Bora» - nach dem von der US-Armeezerstörten einstigen El-Kaida-Stützpunkt in Afghanistan.
Jedes Haus in Buraida ist von einer hohen Mauer mit zwei Türenumgeben. Die große Tür ist der Männer-Eingang. Vor der kleinen Türbitten Frauen um Einlass. Auch im Haus herrscht Geschlechtertrennung.Die Lehrerin, die mit ihrem Mann und sechs Kindern am Stadtrand lebt,findet das völlig normal. Doch obwohl die 39-Jährige sehr fromm ist,gehen ihr die Ermahnungen der örtlichen Religionswächter («Mutawa»)oft zu weit. Sie verbieten Frauen oft sogar, in der Öffentlichkeitlaut zu sprechen. Rauchende Männer müssen in Buraida damit rechnen,für dieses «unislamische Verhalten» gescholten zu werden. «DieMutawas haben aber durch das Aufkommen des islamistischen Terrors inden letzten eineinhalb Jahren etwas Macht verloren und sind jetztetwas freundlicher als früher», sagt die Lehrerin, die in ihrerMädchenschule auf Geheiß der Schulverwaltung diese Woche erstmalsüber den Terror der «fehlgeleiteten Gruppe» gesprochen hat.
Zum Beweis für den Einzug der Moderne in Buraida deutet sie aufden Satellitenempfänger unter ihrem Fernseher, ein Gerät, das ihrnoch vor drei Jahren möglicherweise einen Besuch der Religionspolizeieingebracht hätte. Diese hatte früher etliche Familien aufgefordert,das «Teufelswerk» zu entfernen. Dann kramt sie Bilder vom Geburtstagihrer siebenjährigen Tochter hervor. Hier in Buraida ist auch dasschon fast revolutionär. Denn Geburtstagsfeiern und das Abbilden vonMenschen auf Fotos oder Gemälden halten viele Einwohner der Stadt bisheute für unislamisch. Das Gesicht einer Frau ist aber auch auf denBildern von dieser Familienfeier nicht zu sehen. «Irgendwie ist esschon schade, dass ich kein Foto von meiner Hochzeitsfeier habe»,meint die Mutter nachdenklich.
