Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz: Ex-Minister landet wegen Nürburgring-Affäre vor Gericht

Mainz/MZ. - Der Ministerpräsident hatte ihm stets blind vertraut, und vermutlich war das Teil des Problems, das in der millionenschweren Pleite des Nürburgrings endete. Nun wird der promovierte Finanzwissenschaftler, den Regierungschef Kurt Beck (SPD) wegen seiner Uni-Lehrtätigkeit stets ehrfurchtsvoll „Professor Deubel“ genannt hatte, von Mitte Oktober an vor Gericht stehen.
In seiner Zeit als rheinland-pfälzischer Finanzminister soll Ingolf Deubel (SPD), so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Koblenz, Steuergeld veruntreut haben. Er soll für einen Schaden in sechsstelliger Höhe mitverantwortlich gewesen sein und die Gefährdung von Steuergeld in achtstelliger Höhe in Kauf genommen haben. Aus demselben Gurnd sind außerdem der frühere Geschäftsführer der Nürburgring GmbH, Walter Kafitz, sowie zwei weitere Mitarbeiter der weitgehend landeseigenen Gesellschaft angeklagt – sowie zwei führende Banker der landeseigenen Investitions- und Strukturbank wegen Beihilfe zur Untreue.
So wird das Trauerspiel um die vom Land ausgebaute Rennstrecke genau drei Monate nach der Pleite der landeseigenen Betreiber-GmbH erstmals auch den Gerichtssaal erreichen. Am unerschütterlichen Selbstbewusstsein des Professor Deubel, 62, das vermutlich ebenfalls ein Teil des Problems war, rüttelt das aber kaum. „Es ist gut, dass nach über drei Jahren die Wartezeit nunmehr zu Ende geht und ich meine Unschuld beweisen kann“, zitiert heute der Tagesspiegel den Ex-Minister. Gegenwind ist ihm eben neu: Seit der gebürtige Rheinland-Pfälzer, der aber in Westfalen aufwuchs, mit 19 in die SPD eingetreten war, stieg er in den 80er Jahren vom Finanzreferenten in Münster zum Stadtkämmerer und später zum Oberstadtdirektor von Solingen, schließlich zum Finanz-Staatssekretär von Rheinland-Pfalz auf. Im Mai 2006 wurde er rheinland-pfälzischer Finanzminister. In dieser Position erarbeitete er sich reichlich Renommee: Deubel war Vize des Finanzausschusses des Bundesrats und Sprecher der Finanzminister der A-Länder.
Das stieg ihm offenbar zu Kopf: Als Aufsichtsratschef der landeseigenen Nürburgring GmbH, der er daheim zugleich war, ließ er sich von Kritikern und Skeptikern nicht beeindrucken – nicht von aufmerksamen Anwälten der eigenen Gesellschaft, nicht einmal vom Landeskriminalamt. Das hatte ihn gewarnt, dass die von ihm als rettende Investoren präsentierten Geschäftspartner "keinerlei Referenzen" für die von ihnen angebotene Finanzierung vorlegen und die Konstruktion ihres Firmengeflechts "bis zur Nichtdurchsetzbarkeit von Schadensersatzforderungen führen" könne.
Deubel ignorierte die Warnungen – und galt bald als der Mann hinter einem undurchsichtigen Konstrukt von Landes-GmbHs, Firmen und Tochterfirmen, die öffentliches Geld für den neuen Erlebnispark am Nürburgring hin- und herschoben, um durch Bürgschaften und riskante Geldanlagen privates Geld für das Landesprojekt heranzuschaffen. So billigte Deubel einen Kredit über drei Millionen Euro an einen Düsseldorfer Investor, der an der Rennstrecke Hotels, Gaststätten und ein Feriendorf bauen will. Allerdings wurde der Kredit nicht direkt an den Investor vergeben, sondern über den Finanzdienstleister „Pinebeck“ im hessischen Usingen. Pinebeck wollte ursprünglich die Immobilien der neuen Erlebniswelt kaufen und damit der Nürburgring GmbH die Bauten finanzieren. Die Refinanzierung des Deals sollte über den Schweizer Finanzmakler Urs Barandun laufen, das Land hatte zur Unterfütterung zwei Bardepots in Höhe von 80 Millionen Euro und 95 Millionen Euro in der Schweiz zur Verfügung gestellt. Doch das Geschäft scheiterte, weil Barandun gefälschte Schecks eines nicht existierenden amerikanischen Investors vorlegte. Vielen Beobachtern war der vermeintliche Retter Barandun von Anfang an dubios vorgekommen, Deubel schlug die Kritik in den Wind, Beck vertraute ihm – als der Scheck schließlich platzte, musste der Finanzminister zurücktreten.
Gegenstand der Anklage sind nun verschiedene Zahlungen, Zahlungsverpflichtungen und Bürgschaften, die das Land auf Deubels Veranlassung eingegangen war, um die Finanzierung in die Wege zu leiten und abzusichern. Möglich ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren je Tat.
Nach dem Scheitern der Privatfinanzierung war unter der SPD-Alleinregierung die Rennstrecke samt Erlebniswelt 2010 an die inzwischen wieder gekündigten Geschäftsleute Kai Richter und Jörg Lindner verpachtet worden. Wegen ausbleibender Pachtzahlungen musste die Nürburgring GmbH aber unlängst Insolvenz anmelden. Außerdem läuft noch ein EU-Beihilfeverfahren wegen nicht genehmigter Subventionen in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro.
Was die Privatfinanzierung angehe, sagte Beck vor drei Jahren, als er Deubels Rücktritt verkündete, hätte das Land „die Reißleine früher ziehen sollen“. Deubel sah es noch immer etwas anders. Als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Landestages sagte er noch Monate später: „Als Privatperson hätte ich gewartet, ob der Scheck noch eingelöst wird oder nicht.“