Nitrofen-Skandal Nitrofen-Skandal: Pflanzengift kam aus DDR-Lagerhalle

Berlin/Schwerin/Hannover/dpa. - «Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass nichts mehr denVerbraucher erreichen kann», sagte Niedersachsens Agrarminister UweBartels (SPD) am Sonntag in Hannover. «Wir sind noch lange nicht amEnde.»
Während Polizei und Staatsanwaltschaft mit kriminalistischerFeinarbeit und komplizierten chemischen Analysen am Wochenende dieWege des vergifteten Getriedes verfolgten, verschärfte sichgleichzeitig der politische Streit um die Verantwortlichkeiten.
Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) sagte am Samstagin Berlin: «Es gibt keine Anhaltspunkte darauf, dass es noch eineandere Quelle der Verunreinigung gibt.» Die Zahl der belasteten Eierstieg in Niedersachsen unterdessen auf elf. Auch in drei weiterenBundesländern waren verseuchte Eier oder Hühnerfleisch aufgetaucht.In Proben des Getreides aus der Halle wurden auch Spuren der GifteDDT und Lindan entdeckt.
Der Nitrofen-Skandal nahm laut Künast in der Halle in Malchin,dem ehemaligen Lager für einen Teil der Staatsreserve der DDR fürPflanzenschutzmittel, seinen Ursprung. Im Staub der Halle wiesenChemiker eine Belastung von zwei Gramm je Kilogramm Staub nach, derGrenzwert liegt bei 0,01 Milligramm. Die NSP hatte alsNachfolgebetrieb des DDR-Betriebes VEG Saat- und Pflanzgut dasGebäude im Oktober 2001 gemietet und von da an als Lager für dasÖkogetreide genutzt. Nach der Wiedervereinigung hatte die Treuhanddas Lager 1990 privatisiert. Der Bund später ohne Auflagenverkauft. Einen Hinweis auf die Vorgeschichte habe es nicht gegeben,teilte NSP mit.
Außer den nach Niedersachsen gelieferten 304 Tonnen Öko-Weizenhätten 50,6 Tonnen Lupine sowie 72 Tonnen anderer Weizen in der Hallegelagert. Die Lupine seien vollständig ausgeliefert worden, vomGetreide befänden sich noch 10 Tonnen in der Halle. Wohin die Waregeliefert wurde, blieb zunächst unklar, hieß es im Agrarministeriumsin Schwerin.
Künast zeigte sich über die Lokalisierung der Ursache erleichtert.«Das ist und war kein Ökoskandal». Die Affäre sei «kein Problem desökologischen Landbaus, sondern der alten Strukturen». Nach Angabenvon Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) wurdendas Unternehmen NSP in Neubrandenburg aber auch Betriebsstätten inanderen Bundesländern sofort gesperrt.
Niedersachsens Minister Bartels sagte, die Ermittlungenkonzentrierten sich nun auf die Verantwortlichen des Skandals. Zieldes Landes sei es weiterhin, die Futtermühle GS agri naheCloppenburg, die seit Donnerstagabend gesperrt ist, komplett zuschließen. Die Betreiber hätten früh von der Belastung gewusst undgeschwiegen.
Die großen Bio-Verbände forderten weitere Kontrollen in ganzDeutschland. Es müsse «sichergestellt werden, dass in anderenehemaligen Großlagern für Pestizide keine weiteren Lebensmittelumgeschlagen werden», heißt es in einer gemeinsamen Erklärung vonBiokreis, Bioland, Biopark, Demeter, Gäa, Naturland, Ökosiegel unddem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN). Die Öko-Branche habenun «Versäumnisse und Fehler in den eigenen Reihen» aufzuarbeiten.
Unterdessen wird der Ton der Auseinandersetzung um den Skandalschärfer. In Richtung Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) undder Unions-geführten Länder, die am Freitag im Bundesrat dasVerbraucherinformationsgesetz blockierten, sagte Künast: «Stoibersoll darüber noch einmal nachdenken.» Sie setze alles daran, dass dasGesetz spätestens in der letzten Sitzung der Länderkammer am 12. Julieine Mehrheit bekommt.