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Luftverkehr Luftverkehr: Um Mitternacht erloschen die Lichter in Tempelhof

Von Sascha Meyer und Burkhard Fraune 31.10.2008, 15:48
Ein Mitarbeiter des Flughafens geht am 31.10.2008 in der Haupthalle des Flughafens Berlin-Tempelhof an leeren Stühlen der VIP-Tribühne vorbei. (FOTO: DPA)
Ein Mitarbeiter des Flughafens geht am 31.10.2008 in der Haupthalle des Flughafens Berlin-Tempelhof an leeren Stühlen der VIP-Tribühne vorbei. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Am Ende gelang den Freunden des Berliner FlughafensTempelhof noch ein Überraschungscoup: Die Motoren eines historischenRosinenbombers und einer legendären Tante Ju brummten schon für denletzten «Take-off», als eine Gruppe Flugschüler am Donnerstagabendauf dem Vorfeld plötzlich ein Transparent entrollte: «Tempelhofbleibt! Wowi fliegt», lautete ihre trotzige Botschaft an diegeladenen Gäste, die zum feierlichen Abschied vom ältestenVerkehrsflughafen der Welt gekommen waren.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dem der Protestmit schrillen Trillerpfeifen galt, war da schon entschwunden. PunktMitternacht erloschen dann nach 85 Jahren die Lichter am Luftbrücken-Flughafen Tempelhof. Zum Abschied hoben der Rosinenbomber und dieTante Ju um 23.55 Uhr gemeinsam ab und schwebten einträchtignebeneinander in den Nachthimmel - es war das Ende einer Ära derLuftfahrt und eines jahrelangen Kampfes gegen die vom Berliner Senatdurchgesetzte Schließung des Flughafens, der ein Symbol derHauptstadt ist.

Am Morgen danach, als sich die Kerosinschwaden für immer verzogenhatten, stellte Wolfgang Witzke wieder sein altes Funkgerät auf denLadentisch. Die Regale in dem kleinen Raum gegenüber dem Flughafensind voll gepackt mit Tempelhof-Erinnerungen: Rosinenbomber-Modelle,Lebensmittelkarten aus Luftbrücken-Zeiten, Teddys mit Pilotenbrillen.Jahrelang hatte Witzke mit seinem Gerät die Funksprüche desTempelhofer Towers und der Piloten mitgehört, doch am Freitagrauschte es nur noch im Äther, egal wie weit der 57-Jährige drehte.«Tegel und Schönefeld sind zu weit weg, die Frequenzen sind stumm.»Es herrscht Funkstille in Tempelhof.

Jetzt, da der Flughafen nur noch ein Denkmal ist, wird Witzkeseinen Laden möglicherweise schließen müssen. «Niemals aufgeben»,hieß es derweil auf dem ungewohnt leeren Flughafenvorplatz. DasTransparent zwischen weißen, roten und schwarzen Grabkerzen hattendie Gegner der Schließung vom Donnerstagabend stehen lassen.Passanten verewigten die Szene auf Fotos, am Zaun des Rollfeldshofften einige Unentwegte, doch noch einen Tempelhof-Flug zu erleben.

Zum letzten regulären Linienflug hatte jedoch am Donnerstag um22.17 Uhr eine Dornier 328 abgehoben. Einer der Glücklichen, die anSchalter 18 nach Mannheim einchecken konnten, war Matthias Janta.«Das ist schon ein bedeutender Flug», sagte der 28-Jährige, der mitLaptop und kleinem Rollkoffer gekommen war. Bedrückt stand indesGerhard Bürger zwischen den Gästen. «Ich bin unheimlich traurig»,sagte der 78-Jährige. Zur Zeit der legendären Luftbrücke 1948/49 warer Chef der Flughafenfeuerwehr in Tempelhof.

Ausdrücklich nicht zum Feiern zumute war auch mehr als hundertDemonstranten auf dem Platz vor dem abgesperrten Hauptportal. Ihrbitteres Motto: «Schande für Berlin - Schande für Deutschland». Auchein gescheiterter Volksentscheid im April hatte das Aus für denFlughafen nicht verhindern können. Der Unmut schwappte bis in dieabgeschirmte Festgesellschaft. Der Regierende Bürgermeister erntetePfiffe und Buhrufe, als er die Schließung des Flughafens in derFesthalle verteidigte. «Wir müssen nach vorne schauen», forderteWowereit. Bei aller Wehmut müssten die Chancen des künftigenHauptstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) gesehenwerden, der 2011 auch Berlins zweiten Stadtflughafen Tegel ablösensoll. Was aber aus Tempelhof werden soll, ließ Wowereit offen.

Nächtliche Freude herrschte auf der anderen Seite desFlughafenzauns. Zu einer Feier im dicht besiedelten StadtteilNeukölln hatte die «Bürgerinitiative flugfreies Tempelhof» geladen,die sich im Kampf gegen die «Fliegerei über unseren Köpfen, durchunsere Ohren und vor unseren Nasen» am Ziel sieht. Als Zeichen ihrerFreude schickten die Mitglieder beleuchtete Drachen über den nunflugfreien Luftraum.

Das Licht wird am 30.10.2008 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof ausgeschaltet. (FOTO: DPA)
Das Licht wird am 30.10.2008 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof ausgeschaltet. (FOTO: DPA)
dpa