Koalitionsgipfel Koalitionsgipfel in Berlin: In diesen Streitfragen hat sich die große Koalition geeinigt

Berlin - Möglicherweise ist es das letzte Mal gewesen, dass die Koalitionsspitzen sich im Kanzleramt getroffen haben. Und fast wirkte es, als wollten sie die gemeinsame Zeit wirklich auskosten. Sechseinhalb Stunden, bis halb drei Uhr morgens, saß man zusammen. Die Gemütlichkeit war eingeschränkt: Es gab kalten Fisch – Matjes - und gut 20 Streitpunkte auf der Tagesordnung. Zum ersten Mal dabei: Der neue SPD-Chef Martin Schulz, der erst im Herbst ins Kanzleramt kommen wollte – dann aber als Kanzler. Er hätte lieber auf den Termin verzichtet, um sich mit der Koalitionsarbeit nicht zu sehr gemein zu machen.
Stattdessen hat er mit seiner Konkurrentin Angela Merkel die Sitzung gemeinsam geleitet, so erzählt es zumindest die SPD. Sachlich und konzentriert sei die Arbeit gewesen, hieß es danach auf beiden Seiten. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist der Wahlkampf jedoch bei Beschlüssen und Blockaden deutlich zu spüren. Die Union drängte auf Ergebnisse in der Sicherheitspolitik, auch um der AfD in diesem Bereich nicht das Feld zu überlassen. Die SPD versuchte soziale Themen durchzusetzen und beklagte ideologische Grenzen der Union. Was vereinbart wurde, muss nun bis spätestens Mitte Mai vom Bundestag beschlossen werden. Sonst sind auch diese Themen auf Wiedervorlage – für die Wahlkampfreden.
Wohnungseinbruch
Wer in eine Wohnung einbricht, soll künftig mindestens ein Jahr ins Gefängnis. Die Wohnung wird dabei als dauerhaft genutzte Privatwohnung definiert – Hotelzimmer, Gartenlauben und Rückzugsräume in Unternehmen dürften also nicht darunter fallen. Die Handydaten von erwischten Einbrechern sollen künftig ausgewertet und mit bisherigen Einbruchsorten abgeglichen werden können. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, wegen des erhöhten Strafmaßes werde die Polizei künftig Ermittlungen nicht mehr so schnell einstellen können wie bisher.
Nach Darstellung der Union liegt die Aufklärungsquote derzeit bei unter 15 Prozent, die Verurteilungsquote gerade einmal bei zwei Prozent. Rechtsexperten zweifeln jedoch am Nutzen einer Strafverschärfung. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, wichtiger sei es, die Einbrecher zu fassen. „Solange das nicht geschieht, doktert die Bundesregierung an den falschen Symptomen herum.“ Heute schon könne Wohnungseinbruch mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
Flüchtlinge
Sozialbehörden dürfen künftig über die Fingerabdrücke prüfen, ob ein Asylbewerber schon bei anderen Stellen Sozialleistungen beantragt hat. Ein eigenes Gesetz soll verhindern, dass Asylbewerber in Deutschland eine Vaterschaft anerkennen, um bleiben zu können, ohne wirklich Vater zu sein. Betreffen wird das nach Koalitionseinschätzung nur einige hundert Fälle im Jahr.
Die 160.000 subsidiär Schutzbedürftigen in Deutschland – meist Flüchtlinge aus Syrien, die über die Türkei eingereist sind – dürfen, anders als von der SPD gewollt, offenbar weiter nicht ihre Familien nachholen. Auswärtiges Amt und Innenministerium sollen allerdings Ausnahmen zulassen können. Erneut beschlossen wurde, dass sich der Bund um den Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften kümmern soll.
Soziales
Eltern, deren Kinder im EU-Ausland leben, sollen künftig Kindergeld erhalten – allerdings nicht mehr die deutschen Sätze, sondern den im jeweiligen EU-Land geltenden Satz. In Skandinavien liegen die Sätze höher, in Ländern wie Rumänien und Bulgarien gibt es weniger Geld. Das Ganze ist nur eine Absichtserklärung – die Grundlagen muss dafür die EU beschließen.
Verkehr
Die von der Union angestrebte Teilprivatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen fällt aus. Auf Drängen der SPD wird nun zusätzlich auch die Privatisierung der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, die künftig Autobahnen und Bundesstraßen betreiben soll, ausgeschlossen.
Noch in der Diskussion
Nach einem Kompromiss gesucht wird zumindest nach Unionsangaben noch beim Teilzeitgesetz, mit dem die SPD den Anspruch auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle schaffen will: Allerdings sind die Vorstellungen weit voneinander entfernt. Während die Sozialdemokraten dieses Recht schon für Betriebe mit mehr als 15 Angestellten anstreben, zieht die Union die Grenze bei Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Auch bei der Einschränkung von Managergehältern könnte es noch eine Regelung geben.
Der CDU reicht es, wenn die Hauptversammlung statt des Aufsichtsrats über die Höhe der Manager-Einkünfte beschließt. Sie soll auch festlegen können, um welchen Faktor diese Spitzengehälter die Durchschnittsgehälter der Arbeitnehmer überschreiten dürfen. Sie drängt nun die SPD, auf ihre Forderung zu verzichten, die steuerliche Absetzbarkeit von Chef-Gehältern zu begrenzen.
Danach sieht es allerdings nicht aus. „Das war gestern die letzte Chance“, sagte SPD-Fraktionschef Oppermann: „In Gerechtigkeitsfragen haben sich die Gemeinsamkeiten in dieser Koalition weitgehend erschöpft.“
Keine Einigung
Nicht mehr beschließen wird die Koalition eine Rente für Geringverdiener, die Solidarrente. Beide Seiten liegen zu sehr auseinander. Auch gleichgeschlechtliche Paare müssen weiter warten: Die Ehe für alle kommt erstmal nicht. Die Union befürchtet Widerstand in den eigenen Reihen.
Die Union blockierte auch die Mietrechtsnovelle des Justizministeriums. Sie sollte bei Wohnungsmodernisierungen den Kostenanteil senken, die der Vermieter auf den Mieter umlegen kann.