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Demonstration in Berlin Demonstration in Berlin: Wulff sieht Schuh

Von Stefan Engelbrecht 07.01.2012, 13:26
Mit hochgehaltenen Schuhen stehen Demonstranten am 07.01.2012 vor Schloss Bellevue in Berlin, dem Amtssitz von Bundespräsident Christian Wulff. (FOTO: DPA)
Mit hochgehaltenen Schuhen stehen Demonstranten am 07.01.2012 vor Schloss Bellevue in Berlin, dem Amtssitz von Bundespräsident Christian Wulff. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Mit hochgehaltenen Schuhen haben am Samstag inBerlin vor dem Schloss Bellevue etwa 300 Menschen gegenBundespräsident Christian Wulff demonstriert. Der Protest war imInternet über Facebook organisiert worden. Auf Plakaten fordertenTeilnehmer den Bundespräsidenten auf dem Gehweg am Schloss Bellevuein Berlin-Tiergarten zum Rücktritt auf. Der Bundespräsident stehtwegen eines umstrittenen Privatkredits für einen Hauskauf und einerAuseinandersetzung mit der «Bild»-Zeitung um die Berichterstattungmassiv unter Druck.

Zum Abschluss der Demonstration kam es nach Angaben der Polizei zueiner Rangelei, in deren Folge ein Demonstrant und ein Polizistverletzt worden sind. Einige Demontranten hatten die Straßenseitewechseln und damit dem Schloss näherkommen wollen. Dies wollte diePolizei unterbinden. Bei der Rangelei erhielt ein Polizist einenFaustschlag ins Gesicht. Der vorläufig festgenommene Demonstrant, derlaut Polizei Widerstand leistete, erlitt Verletzungen, die später imKrankenhaus behandelt werden mussten.

Zuvor war die Demonstration friedlich verlaufen. «Wulff in dieProduktion» hieß es auf Plakaten, oder «Bundespräsidenten haben kurzeBeine». Ein anderer Teilnehmer hielt ein Schild mit dem inzwischengeflügelten Wort «Ich habe fertig» in die nasskalte Luft. AlsNachfolge-Kandidat für Wulff wurde u.a. der Kabarettist Georg Schrammempfohlen. Für Lärm sorgten außerdem zahlreiche Trillerpfeifen.

«Ich bin zunehmend und jeden Tag mehr empört. Das geht jetzt alleszu weit», sagte eine Frau, die zwar ohne Schuhe an der Kundgebungteilnahm, aber dennoch ihren Unmut über den Bundespräsidenten zeigenwollte. Sei sei beschämt und sehr wütend über dessen Verhalten,betonte die Frau, die sich selbst als «alte 68erin» bezeichnete.Damals habe man noch das Gefühl gehabt, etwas bewirken zu können.Heute fühle man sich etwas hilflos, wenn man sehe, «wie die da obenihr Süppchen kochen».

Der 49-jährige Ulf Hodapp kritisierte vor allem «diese Reisen,dieses Schnorrerverhalten». Wulff war unter anderem auch in dieKritik geraten, da er sich mehrfach von Bekannten zuUrlaubs-Aufenthalten einladen ließ. Das sei doch alles unwürdig füreinen Ministerpräsidenten und erst recht für einen Bundespräsidenten.Ein junger Vater, der seinen vier Monate alten Sohn vor der Brusttrug, betonte: «Ich möchte nicht, dass mein Kind in einerBananenrepublik groß wird». Wahrscheinlich bringe der Protest ohnehinnichts, aber «man sollte wenigstens zeigen, dass man damit nichteinverstanden ist».

Das Motto der Aktion lautete «Wulff den Schuh zeigen - Shoe foryou, Mr. President!». In der arabischen Kultur werden mit dieserGeste Menschen verhöhnt, aber auch Ärger und Verachtung werden so zumAusdruck gebracht. «Wir wollen die Schuhe aber nur hochhalten, nichtschmeißen», betonte der Sprecher der Veranstalter, Jürgen Jänen. Einanderer Teilnehmer wertete das Schuh-Symbol als Zeichen derMissachtung und des Zornes. Im übertragenen Sinn bedeute es auch:«Zieh die Schuhe an und geh'», fügte er hinzu.

Auf dem Schlossgiebel wehte die Fahne mit dem Bundesadler. Diesezeigt gewöhnlich die Anwesenheit des Hausherrn an. Bei Reisen oderTerminen außer Haus ist sie eingezogen. Wulff trat am Samstag nichtvor die Tür.

Auch die Polizei zeigte am Samstag Präsenz, verhielten sich abereher diskret. Die Demonstranten durften nicht auf den Gehweg direktvor dem Schloss, sondern mussten auf der anderen Straßenseite amTiergarten protestieren. Veranstalter war die Organisation «Creativelobby of future» (Clof), die zu der Aktion auch über Facebookaufgerufen hatte. Deren Angaben zufolge nahmen mehr als 500 Menschenan der Kundgebung teil.

Ob die Proteste damit beendet sind, glaubt Clof-Sprecher Jänenindes nicht. Es gehe sicher weiter. So habe seine Organisationbereits dazu aufgerufen, die Schuhe an das Präsidialamt zu schicken.Einige seien auch schon angekommen.