Rentenpolitik im Wahl-Check Bundestagswahl: Rentenpolitik im Wahl-Check: Das versprechen die Parteien ihren Wählern

Man stelle sich einmal vor, eine große Gesellschaft geht essen. Sie zahlt aber am Ende gar nicht ihre eigene Rechnung. Vielmehr haben die Menschen ihr Recht, ins Restaurant zu gehen, dadurch erworben, dass sie die Rechnung der Gesellschaft vor ihnen bezahlt haben. Die aktuelle Rechnung wiederum muss von denen beglichen werden, die als nächste ins Restaurant kommen werden.
Klingt ungewohnt? Mag sein. Aber, sehr grob betrachtet, handelt es sich um eine brauchbare Beschreibung, wie das Umlagesystem bei der gesetzlichen Rentenversicherung funktioniert. Die Generation, die gerade arbeitet, sorgt jeweils für diejenige, die schon im Ruhestand ist. Die einen stehen für die anderen ein.
Zu wenig Nachwuchs, zu viele Alte
Jedem wird anhand des Restaurant-Beispiels eins sofort einleuchten: Das Umlagesystem funktioniert dann besonders reibungslos, wenn die zahlende Gruppe jeweils möglichst groß und die Gruppe zu Tisch im Vergleich spürbar kleiner ist. Denn dann ist der Beitrag für jeden einzelnen gut zu verschmerzen. Als der einstige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) das System, das auch Generationenvertrag genannt wird, eingeführt hat, war er sicher, das würde schon funktionieren. „Kinder bekommen die Leute immer“, befand er. Er irrte.
Heute wissen wir: Die gesetzliche Rentenversicherung muss mit einem demografischen Wandel klarkommen, für den sie so nie gemacht war. Es gibt weniger junge Menschen, dafür werden die alten immer älter. Die Debatte über die Rente dreht sich deshalb immer wieder um die Frage: Wie ist es zu schaffen, dass die Alten eine ihrer Lebensleistung angemessene Rente erhalten, ohne dass die Jungen allzu hohe Versicherungsbeiträge zahlen müssen?
Das macht die Rente so kompiziert
Die Debatte ist aus mindestens drei Gründen hochkompliziert. Der erste ist schlicht, dass es sich um detailreiches Politikfeld handelt, bei dem wichtige Begriffe leicht missverstanden werden können. So hat das Rentenniveau, anders als viele annehmen, rein gar nichts damit zu tun, wieviel Prozent jemand von seinem letzten Lohn als Alterssicherung bekommt.
Es handelt sich vielmehr um einen allgemeinen statistischen Wert: Das Rentenniveau errechnet sich aus dem Verhältnis einer Rente nach 45 durchschnittlichen Beitragsjahren zum mittleren Lohn der Beschäftigten. Es gibt also einen Überblick darüber, wie hoch die Renten von denen, die lange eingezahlt haben, im Vergleich zu den Löhnen ausfallen.
Jeder will das, was er eingezahlt hat
Das zweite große Problem ist: Es gibt zahlreiche unterschiedliche, für sich genommen jeweils berechtigte Interessen, die faktisch jedoch gegeneinander stehen. Denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Ist es gerecht, wenn jemand viele Jahre eingezahlt hat, aber am Ende eine Rente erhält, die noch unter dem Niveau der Grundsicherung liegt? Werden berufliche Auszeiten für Kindererziehung und Pflege schon angemessen berücksichtigt? Soll für Verbesserungen in solchen Bereichen der Beitragszahler aufkommen – oder braucht es einen höheren Zuschuss aus Steuermitteln? Können den Jüngeren immer höhere Beiträge zugemutet werden, ohne dass sie sicher wüssten, was sie selbst noch aus dem System heraus bekommen können?
Politiker sollen schnell entscheiden
Damit sind wir bei der dritten großen Schwierigkeit in der rentenpolitischen Debatte angekommen: der Langfristigkeit. Einerseits sind Politiker gehalten, Weichenstellungen für die kommenden Jahrzehnte zu stellen. Andererseits werden sie von Wählern natürlich vor allem auch an kurzfristigen Wirkungen ihrer Entscheidungen getroffen. Insofern ist es für Parteien mindestens verführerisch, in erster Linie etwas für die aktuelle Rentnergeneration zu tun – zumal die bei Wahlen inzwischen erheblich ins Gewicht fällt.
So haben erst kürzlich Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) den wahlkämpfenden Parteien vorgeworfen, ihre Konzepte berücksichtigten vor allem eines nicht ausreichend: Die Erwerbsbiografien weisen immer häufiger Lücken auf. In der Studie, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt wurde, warnen die Forscher: Jeder Fünfte, der zwischen 2031 und 2036 in Rente geht, werde von Armut bedroht sein.
Das sagen die Parteien
Union
„An der gesetzlichen Rente haben wir bis 2030 die Reformschritte eigentlich gemacht, die ich für notwendig erhalte“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesem Jahr beim Industrietag in Berlin. Freundlich ausgedrückt, will sie dem Rentensystem eine Reformpause gönnen – Kritiker sprechen von Stillstand.
„Die Weiterentwicklung der Rente nach 2030 soll in einem partei- und fraktionsübergreifenden gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung der Tarifpartner geregelt werden“, heißt es im Unions-Wahlprogramm. Und: „Zu diesem Zweck setzen wir eine Rentenkommission ein, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll.“ Die gesetzliche Rente solle der zentrale Pfeiler der Altersvorsorge bleiben, so die allgemeine Ankündigung. Aber auch Betriebsrenten und private Vorsorge seien von großer Bedeutung.
SPD
Die Sozialdemokraten wollen eine „doppelte Haltelinie“ bei Beitragssatz und Rentenniveau setzen. Das bedeutet: Per Gesetz will die SPD festlegen, dass das Rentenniveau bis 2030 nicht unter 48 Prozent sinken darf. Zugleich soll der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch gezahlte Rentenbeitrag in dieser Zeit nicht über 22 Prozent steigen.
Wer 35 Jahre Beiträge gezahlt hat (einschließlich angerechneter Zeiten für Kindererziehung und Pflege), soll Anspruch auf eine Solidarrente haben. Will heißen: Fällt die Rente sehr gering aus, wird sie auf ein Niveau von zehn Prozent oberhalb die Grundsicherung angehoben. Zudem plant die SPD Selbstständige, die bisher nicht anderweitig versichert sind, in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.
Linke
Die Linke verspricht, das Rentenniveau von derzeit 48,2 Prozent sofort wieder auf 53 Prozent zu erhöhen. Sie fordert, niemand dürfe im Alter arm und „gezwungen sein, zum Überleben Pfandflaschen zu sammeln“. Deshalb solle es bei Bedarf eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro geben – nach einer Einkommens- und Vermögensprüfung.
Die Rente ab 67 müsse zurückgenommen werden, verlangt die Partei zudem. „Arbeiten bis zum Umfallen ist unwürdig und weder gesellschaftlich noch sozialpolitisch akzeptabel“, heißt es im Programm. Im Übrigen propagierte die Linke eine grundlegende Änderung im System: Nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Freiberufler, Selbständige, Beamte und Politiker sollen nach dem Willen der Linken in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Grüne
Die Grünen wollen das Rentenniveau halten, ohne dass die Beiträge zu stark steigen. Dazu sei es wichtig, dass mehr Menschen arbeiten könnten – etwa, indem Eltern eine gute Kinderbetreuung angeboten würde. Zum anderen will die Partei Abgeordnete, Beamte und Selbständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.
Wer den größten Teil seines Lebens gearbeitet, Kinder erzogen oder Verwandte gepflegt hat, soll – falls seine Ansprüche zu gering ausfallen – eine steuerfinanzierte Garantierente oberhalb der Grundsicherung erhalten. Darüber hinaus wollen die Grünen für einen Bürgerfonds in öffentlicher Verwaltung einführen, der für private Vorsorge und auch Betriebsrenten offensteht. Da so überteuerte Gebühren wegfielen, lohne sich die kapitalgedeckte Vorsorge mehr als jetzt.
FDP
Die FDP will das feste Renteneinstiegsalter abschaffen. „Ob 63, 67 oder sogar 70 – starre Altersgrenzen für den Renteneintritt werden den verschiedenen Lebensentwürfen längst nicht mehr gerecht“, schreibt die FDP in ihrem Wahlprogramm. Daher solle künftig die einfache Regel gelten: „Ab 60 entscheidet jeder selbst, wann er in Rente geht.“ Die FDP fügt allerdings hinzu: „Wer früher in Rente geht, bekommt eine geringere, wer später geht, eine höhere Rente.“
Im Übrigen sei es unumgänglich, dass Rentenniveau daran anzupassen, dass die Menschen in Deutschland immer älter und zugleich immer weniger würden. Damit die Beitragssätze nicht drastisch anstiegen, sei zusätzliche Vorsorge unverzichtbar. Jeder solle sich seine Altersvorsorge „nach dem Baukastenprinzip“ individuell zusammenstellen.
AfD
Die AfD schreibt in ihrem Wahlprogramm, das Rentensystem müsse „leistungsfähig und den Herausforderungen der Zukunft nachhaltig gewachsen“ sein. Wie genau das dauerhaft funktionieren soll, führt die AfD nicht aus. Kurz- und mittelfristig will sie darauf setzen, mehr Steuermittel in die gesetzliche Rente zu geben. Dies sei angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel „mindestens vorübergehend“ notwendig.
Hier stellt die AfD eine Verknüpfung zu ihrem zentralen Wahlkampfthema, der Flüchtlingspolitik, her. Das für Flüchtlinge ausgegebene Geld müsse „in die Stabilisierung der Alterssicherung der deutschen Bevölkerung umgelenkt werden“, schreibt die Partei. Und sie fügt hinzu: „Auch aus diesem Grund ist die derzeitige Migrationspolitik sofort zu beenden.“