Bertelsmann-Studie Altersarmut: Diese Menschen sind laut Bertelsmann-Studie am häufigsten betroffen

Berlin - Wirtschaftsexperten sehen das deutsche Rentensystem nicht hinreichend ausgerüstet für die wachsende Zahl von Arbeitnehmern mit flexiblen Arbeitsverhältnissen oder unterbrochenen Erwerbsbiographien. Dieses Problem werde auch in derzeit diskutierten Reformvorschlägen zu wenig berücksichtigt, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung.
Dabei sehen die Forscher für alleinstehende Frauen, Langzeitarbeitslose und Niedrigqualifizierte das größte Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein. „Unbefristete Jobs und eine langjährige Bindung an den Arbeitsplatz - dieses Arbeitsmodell ist für viele Menschen selbstverständlich“, heißt es in der Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für die Stiftung. Tatsächlich gehörten jedoch „Minijobs, lange Phasen der Erwerbslosigkeit und niedrige Löhne“ für immer mehr Arbeitnehmer „mittlerweile zum Alltag“.
Risiko für Altersarmut wird weiter steigen
Die Prognose der Forscher lautet daher: „Bis 2036 wird das Risiko für Altersarmut weiter steigen“ und wahrscheinlich 20 Prozent der Menschen treffen, die dann insgesamt in den Ruhestand gehen. 2015 lag diese Quote demnach bei etwa 16 Prozent. Als armutsgefährdet werden dabei Rentner eingestuft, deren monatliches Netto-Einkommen unter 958 Euro liegt.
Voraussichtlich sieben Prozent der Neurentner würden dann auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, weil ihr Einkommen nicht für den Lebensunterhalt reicht. 2015 waren dies 5,4 Prozent. Bei Frauen könnte die sogenannte Grundsicherungsquote künftig der Studie zufolge sogar von 16 Prozent im Jahr 2015 bis 2036 auf etwa 28 Prozent der Neurentnerinnen ansteigen. Bei Langzeitarbeitslosen sei ein Anstieg von 19 auf 22 Prozent zu erwarten, bei Menschen ohne Berufsausbildung von zehn auf 14 Prozent.
Osten besonders stark betroffen
Besonders stark ist demnach auch der Osten Deutschlands betroffen, eine Folge der Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt dort Anfang der 1990er Jahre. Hier werde sich das Risiko von Altersarmut bis 2036 von fünf auf elf Prozent mehr als verdoppeln. Das Problem prekärer oder nicht kontinuierlicher Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnsektor wird dabei der Studie zufolge verschärft durch das generelle Absinken des Rentenniveaus aufgrund der demografischen Entwicklung und damit verknüpfter Änderungen des Rentenrechts. Dazu kommen die Folgen der Niedrigzinsphase auf dem Kapitalmarkt für Geldanlagen zur Altersvorsorge.
Zugleich erwiesen sich die zum Ausgleich geschaffenen Instrumente der privaten Altersvorsorge gerade für Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor oft als wirkungslos. Keine Lösung der Probleme im Niedriglohnsektor sieht der Arbeitsmarkt-Experte der Bertelsmann-Stiftung, Christof Schiller, in den aktuellen Bestrebungen für eine Stabilisierung des Rentenniveaus. Zwar sei dies zu begrüßen, es helfe aber „Risikogruppen nicht weiter, die schon während ihrer Berufsjahre nur schlecht von ihrem Gehalt leben können“. Sinnvoller seien für diese Menschen mehr Instrumente für flexiblere und sicherere Übergänge im Erwerbsverlauf sowie für eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Risikogruppen.
Die Studie bezieht erstmals auch die geburtenstarken Jahrgänge mit ein. „Wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht, könnte es zu einem bösen Erwachen kommen“, warnte der Vorstandschef der Bertelsmann-Stiftung, Aart De Geus, mit Blick auf die genannten Probleme. Grundlage der Studie sind repräsentative Haushaltsdaten, die Alterseinkommen aus gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge von 2015 bis 2036 prognostizieren.