Bundestagswahl 2013 Bundestagswahl 2013: Showdown zwischen Pieper und Wolpert
Magdeburg/MZ. - Nur einer kann gewinnen. Und wer verliert, kann eigentlich gleich nach Hause gehen. Horst Rehberger, Ehrenvorsitzender der Landes-FDP, hat Angst vor Querschlägern: "Ich kann nur hoffen, dass die Kampfkandidatur so stattfindet, dass die Partei keinen nennenswerten Schaden nimmt."
In anderen Parteien kann so ein Gerangel dezent gelöst werden: Als Dank für den Verzicht auf Platz eins bekommt man sicher Platz zwei. Kungeln hilft bei der FDP aber nicht, wegen miserabler Umfragewerte ist nur der Spitzenplatz aussichtsreich. Noch mehr Fallhöhe erhält das Duell, weil es für beide um alles oder nichts geht. Ohne Mandat hätte Pieper keine politische Funktion mehr. Sie ist zwar noch Beisitzerin der Bundes-FDP. Das Amt bekam sie erst im zweiten Wahlgang. Kaum vorstellbar, dass die 53-Jährige ohne Mandat in der Bundes-FDP noch eine Rolle spielen könnte. Für Wolpert wäre eine Pleite ein Misstrauensvotum, als Landesvorsitzender wäre er wohl irreparabel beschädigt.
In Zerbst prallen zwei unterschiedliche Politikertypen aufeinander. Cornelia "Conny" Pieper ist ein Original: Plakativ, laut und zumindest nach außen unerschütterlich optimistisch. Kleinteilige Basisarbeit und die Entwicklung von Konzepten liegen der Frau aus Lieskau (Saalekreis) eher nicht. Sie ist die bekannteste Ost-Liberale und als Staatsministerin im Auswärtigen Amt neben dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, dem Hallenser Christoph Bergner (CDU), die hochrangigste Bundespolitikerin aus Sachsen-Anhalt. Anfang November hat Pieper bundesweit Schlagzeilen gemacht: Als einzige bekannte FDP-Politikerin, die das geplante Betreuungsgeld der schwarz-gelben Bundesregierung ablehnte. Sie schwamm öffentlichkeitswirksam gegen den Strom und blieb trotz Rücktrittsforderungen hart. In Berlin hat sie ihren Zenit allerdings überschritten: Generalsekretärin und Vizechefin der Bundes-FDP, Vize der Bundestagsfraktion - all das ist sie gewesen, hat die Ämter aber längst verloren. Den Posten der Landesparteichefin hat sie 2011 freigemacht - für Wolpert. Pieper galt mal als größte Hoffnung der Ost-FDP: Als sie 2002 als Spitzenkandidatin der FDP mit einem glänzenden Sieg die Rückkehr in den Landtag ermöglichte. Gleichzeitig hat sie damals ihre Parteifreunde verprellt, weil sie anschließend nach Berlin ging, statt im Land ein Ministeramt anzustreben. Einige tragen ihr das immer noch nach.
Wolpert wiederum ist ein smarter, aber auch grüblerischer Typ. Er wirkt manchmal unstrukturiert, sucht aber strategische Ansätze für die Rückkehr der Liberalen in den Landtag 2016. Als Redner ist der Bitterfelder Anwalt ordentlich, das Plakative liegt ihm nicht. Er war Fraktionschef bis zur Landtagswahl 2011, wo er Spitzenkandidat war. Trotz der Niederlage sicherte er sich den Landesvorsitz.
Die Atmosphäre zwischen Pieper und Wolpert soll vergiftet sein. "Die Fronten sind verhärtet", sagt ein Kreisparteichef. Beide sind in den vergangenen Wochen gemeinsam bei allen Kreisverbänden gewesen, um für sich zu werben. Beim Kreisverband Anhalt-Bitterfeld soll Wolpert ein gemeinsames Foto mit Pieper verweigert haben. Die beiden äußern sich nicht dazu. Sie nehmen sich vor dem Parteitag bewusst zurück. "Ich werbe innerhalb der Partei für mich. Öffentliche Personaldiskussionen schaden der Partei", sagt Wolpert. Zuvor hatte er seine Kandidatur damit begründet, er wolle "die Kraft und Potenz des Mandats mit dem Landesvorsitz zusammenführen, um in Sachsen-Anhalt politische Gestaltungskraft zurückzugewinnen". Pieper ist nicht viel mitteilsamer - gibt sich aber selbstloser. "Es geht nicht um Cornelia Pieper oder Veit Wolpert, es geht allein um ein bestmögliches Wahlergebnis für die FDP Sachsen-Anhalts zur Bundestagswahl", sagt sie. Das Spitzenpersonal tut cool, die Basis ist nervös. "Es wird ein knappes Rennen", sagt ein Kreisvorsitzender. Fast alle Kreisverbände seien in der Kandidatenfrage uneins. "Es wird wohl auf die Tagesform der Kandidaten ankommen." Zwei Kreisverbände beziehen offen Position - die Heimatverbände der Kontrahenten. Gerry Kley, Kreisvorsitzender in Halle, lobt die "herausragende Arbeit von Conny Pieper". Guido Kosmehl, Kreischef in Anhalt-Bitterfeld, hält Wolpert "mittel- und langfristig für die bessere Perspektive". Ansonsten: Schweigen im Walde. Etwa Marcus Faber, Kreisvorsitzender im Altmarkkreis Stendal: "Wir freuen uns, dass wir zwei so hochkarätige Kandidaten haben. Ich habe ansonsten zu dem Thema nichts zu kommentierten."
Keiner will vor dem Parteitag die Stimmung weiter anheizen. Die Angst vor einer Zerreißprobe und einer Schwächung der Kampagnenfähigkeit geht um. Lutz Franke, Kreischef in Salzwedel, hätte es bevorzugt, wenn sich der Landesverband zuvor auf einen Spitzenkandidaten geeinigt hätte. "Im Ergebnis hätte das mehr Gemeinsamkeit und eine höhere Schlagkraft für den Wahlkampf bedeutet."
Das treibt auch Horst Rehberger um. Der Ehrenvorsitzende war in den vergangenen Wochen "auf Bitten von Parteifreunden" im Blauhelm-Einsatz unterwegs: Er sollte den Showdown verhindern. Er ist gescheitert. Der frühere Landes-Wirtschaftsminister hat allen Kreischefs einen Brief geschrieben, "weil ich angesichts der jüngsten Entwicklungen an der Spitze unseres Landesverbandes sehr besorgt bin", heißt es darin. Rehberger hat auch mit Pieper und Wolpert gesprochen - vergeblich. Was er anzubieten hatte, will keiner der Beteiligten sagen. Es war wohl schlicht der Appell an Landeschef Wolpert zu verzichten. Dafür spricht der Brief an die Kreischefs: "Wer an der Spitze einer politischen Partei steht, trägt eben eine besonders große Verantwortung für die Partei und muss gegebenenfalls bereit sein, die eigenen Interessen hinter denen der Partei zurück zu stellen." Wie groß Rehbergers Sorge ist, zeigt sich darin, wen er als Vorbild für die Liberalen empfiehlt: die SPD. Deren drei potenzielle Kanzlerkandidaten hätten ja auch "eine einvernehmliche Lösung gesucht und gefunden".