Untersuchungsausschuss Anis Amri-Affäre: Opposition fordert Aufklärung über V-Mann

Berlin - Die Opposition im Bundestag kritisiert, dass es im Umfeld des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri offenbar einen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutzes gab und darüber bisher nicht informiert wurde. Sie verlangt deshalb Aufklärung.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, André Hahn, sagte dieser Zeitung: „Gab es im Umfeld Amris V-Leute? Diese Frage ist immer verneint worden. Jetzt scheint es doch einen zu geben. Das hat einen faden Beigeschmack. Es ist nicht klar, warum man das dem Innenausschuss des Bundestages verschwiegen hat.“
„Die Zeit des Herausredens ist nun vorbei“
Die Obfrau der Linkspartei im Untersuchungsausschuss des Bundestages zu dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz, Martina Renner, will in der ersten Sitzung des Gremiums nach der Sommerpause den V-Mann-Führer und den Auswerter befragen, wie sie der Zeitung „Die Welt“ sagte.
Auch FDP-Obmann Benjamin Strasser kündigte an: „Wir werden spätestens in der Zeugenbefragung des Ausschusses hartnäckig auf Auskunft und Aufklärung bestehen. Die Zeit des Herausredens ist nun vorbei.“ Aus der Sicht von Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, hat die Bundesregierung die Öffentlichkeit bislang „zumindest irreführend informiert“.
Behörden äußern sich nicht zum V-Mann
Zuvor hatte das Blatt berichtet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einen V-Mann im Umfeld Amris hatte. Der Inlandsgeheimdienst hatte demnach mindestens eine Quelle in der von Amri besuchten islamistischen Moschee „Fussilet 33“ in Berlin-Moabit.
Das Bundesinnenministerium wollte sich nicht zu dem Einsatz des V-Mannes durch den Verfassungsschutz äußern. Zur „operativen nachrichtendienstlichen Tätigkeit“ berichte man nur den „dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien“, erklärte eine Sprecherin.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz äußerte sich auf Anfrage ebenfalls nicht. Bekannt war bislang, dass das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen einen V-Mann mit Kontakt zu Amri hatte. Von einem V-Mann des Verfassungsschutzes war nicht die Rede.
Parallelen zum NSU-Fall
Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gesteuert. Zwölf Menschen starben. Er wurde später auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen. Mehrere Untersuchungsausschüsse befassen sich mit möglichem Behördenversagen in dem Fall, darunter einer im Bundestag.
Die neueste Nachricht erinnert an den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und seine Vorläufer-Organisation, den Thüringer Heimatschutz. Im Zuge der Untersuchungen zu deren Aktivitäten wurde bekannt, dass es im Umfeld über etwa 15 Jahre hinweg bis zu 40 V-Leute gegeben hatte.
Gleichwohl konnte sich das NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos über zehn Jahre lang im Untergrund bewegen, ohne entdeckt zu werden. Die Sicherheitsbehörden kamen ihnen 2011 eher zufällig auf die Spur. Böhnhardt und Mundlos begingen Selbstmord.
Eine Arbeit von mehreren Jahren
Anders als verdeckte Ermittler sind V-Leute überzeugte Mitglieder der jeweiligen extremistischen Szene. Aus finanziellen oder anderen Motiven sind sie allerdings bereit, den Sicherheitsbehörden Informationen zukommen zu lassen. Das wiederum bedeutet nicht, dass sie alle relevanten Informationen weiter leiten oder ihre Informationen zwingend den Tatsachen entsprechen müssten.
Der Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat seine Tätigkeit gerade erst aufgenommen – anders als die Untersuchungsausschüsse in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Seine Arbeit wird mehrere Jahre und womöglich sogar die gesamte Legislaturperiode dauern. Sie endet 2021.