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Afghanistan Afghanistan: Das «kleine Wunder» von Nawabad

Von André Spangenberg 26.09.2011, 08:43
Bundeswehrsoldaten bei einem Patrouillengang durch die Ortschaft Nawabad, im Distrikt Charrah Darreh, nahe Kundus, Afghanistan. (FOTO: DPA/ARCHIV)
Bundeswehrsoldaten bei einem Patrouillengang durch die Ortschaft Nawabad, im Distrikt Charrah Darreh, nahe Kundus, Afghanistan. (FOTO: DPA/ARCHIV) dpa

Kundus/dapd. - Es grenzt an ein kleines Wunder, was dieBundeswehr im nordafghanischen Kundus erlebt. In der15.000-Einwohner-Stadt Nawabad, die als Rückzugsort der Taliban inder Region gilt, findet erstmals ein Treffen der Dorfältesten mitden deutschen Soldaten und der afghanischen Polizei statt. DieseSchura - das traditionelle afghanische Palaver - ist der bisherigeHöhepunkt der Ende August gestarteten Operation «Omed» (Hoffnung).Mit ihr will die Bundeswehr verlorenes Terrain und verlorenesVertrauen zurückgewinnen.

«Wofür ist ISAF da? Nur um zu bekämpfen oder uns zu helfen»,fragt auf der Schura der Mediziner Daud Assad. Oft genug haben dieAfghanen von den Taliban im Unruhedistrikt Chahar Darreh gesagtbekommen, dass sie nicht auf die Felder gehen sollten, weilISAF-Soldaten sie sonst erschießen würden. Und die von denAufständischen gelegten Sprengfallen dienten nur dazu, die Straßenin der Region Kundus vor den schweren Fahrzeugen der ISAF-Truppen zuschützen und den Bauern damit ihr tägliches Leben zu sichern. Es isteine Propaganda, die wirkt.

«Angst durch Aufklären überwinden»

Genau diese Angst erleben die Soldaten der 2. Kompanie der TaskForce Kundus. Drei Tage dauert die jüngste Phase der Operation«Omed» - drei Tage liegt die Stadt fast wie ausgestorben da. DieGeschäfte bleiben genauso geschlossen wie die Schulen. Und selbstdie ansonsten allgegenwärtigen Kinderscharen verharren in denGehöften. «Wir müssen die Angst durch Aufklärung und durch unserAuftreten überwinden», erläutert ein Offizier.

Fußpatrouillen am Morgen, Gespräche am Nachmittag,Gefechtsaufklärung in der Nacht - der Tagesablauf der Soldaten desBravo-Zuges ist straff gefüllt. «Die Bevölkerung steht uns nichtdirekt ablehnend gegenüber, sie ist nur massiv eingeschüchtert»,sagt der Bravo-Zugführer zu den Erlebnissen der vergangenen Tage. Erweiß aber auch, nur einmal kurz durch die Orte zu fahren undFeuergefechte zu führen, das ändert die Lage nicht wirklich. «Esgeht darum, immer wieder Präsenz zu zeigen und die Aufständischen zustören. Ihnen zu zeigen, dass sie selbst hier nicht mehr sichersind.»

Zusammenarbeit mit den CIP-Guards

Was passiert aber, wenn die internationalen Truppen wieder ausden Orten raus sind? Um den Taliban keine Möglichkeit mehr zu gebenungestört zurückzukommen, arbeitet die Bundeswehr im Raum Kundus mitsogenannten CIP-Guards zusammen. Das sind Angehörige bewaffneterDorfmilizen, von denen gesagt wird, dass «nicht wenige auf deranderen Seite gestanden» hätten. Heute sichern diese Kämpfer -bezahlt von der afghanischen Regierung - im Rahmen des «CriticalInfrastructure Programme» (CIP) wichtige Punkte in der bisherigenUnruheprovinz Kundus. Oft sind es genau diese Bürgerwehren mit ihrengelben Armbinden, die als Überläufer und vermeintlich leichte Zielezuerst angegriffen werden.

«Wir wissen um das Problem der Herkunft der CIP-Guards», heißt esbei der ISAF. Zudem hätte so manch ehemaliger Aufständischer, dermonatelang kein Geld gesehen hat, damit gedroht, wieder die Frontenzu wechseln. Seit August endlich erhalten sie den versprochen Lohn.Und die Bereitschaft, mit der ISAF zu kooperieren, wächst. Somancher Hinweis auf versteckte Sprengladungen oder möglicheHinterhalte haben die deutschen Soldaten schon von den CIP-Guardserhalten. Deshalb heißt es bei der Bundeswehr: «Wir bewegen uns inder Grauzone langsam in die richtige Richtung.»

Die Dorfältesten von Nawabad sind von diesen Bewaffnetenallerdings nicht begeistert, weil sie oft «nur» die strategischwichtigen Punkte schützten. «Wir wollen die CIP-Guards nicht. Siestützen sich allein auf ihre Waffen, sie haben keine Autorität inder Gemeinde», klagen sie auf der Schura. Und dann geschieht etwas,womit bei diesem ersten Treffen keiner gerechnet hat: Das Angebotder versammelten Dorfältesten und des örtlichen Mullahs, mit derafghanischen Polizei ANP «in allen Dingen» zusammenzuarbeiten. «Voreiniger Zeit», so sagen Afghanen aus Kundus, «hätten sie diePolizisten hier noch herausgeprügelt.»