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Energie Energie: Deutsch-russische Ostseepipeline wächst

Von Ralph Sommer 03.10.2010, 10:59
Der Rohrstrang für eine Gaspipeline wird auf der Ostsee vor Rügen vom Verlegeschiff «Castoro Sei» (C6) abgesenkt. (FOTO: DAPD)
Der Rohrstrang für eine Gaspipeline wird auf der Ostsee vor Rügen vom Verlegeschiff «Castoro Sei» (C6) abgesenkt. (FOTO: DAPD) dapd

Rügen/dapd. - Nordöstlich von Rügen herrscht in diesen TagenSchiffsverkehr wie nie zuvor. Dutzende Schwergutfrachter, Schlepper,Ankerziehversorger, Versorgungsschiffe und Behördenboote kreuzen im Seegebiet vor Göhren, in dessen Zentrum zwei riesigeSpezialschiffe, von superschweren Ankerwinden gezogen, ganz langsamihren Kurs ziehen und unablässige eine Stahlbetonröhre von 1,20Metern Durchmesser zu Wasser lassen. Während die flach gehendeitalienische "Castoro 10" schon den zweiten Anlandestrang derdeutsch-russischen Ostseepipeline durch den Greifswalder Bodden inRichtung Lubmin setzt, baut das Schwesterschiff "Castoro 6" StrangNummer 1 in Richtung offene See.

Auf der Brücke des 152 Meter langen Ungetüms steht Kapitän AngeloSabatini und lässt sich von Winch-Operator Edgar Anague über denArbeitsstand informieren. "Wir haben am Mittwoch das aus Lubminkommende und zwischenzeitlich auf dem Grund abgelegte Strang-Endeaufgenommen", sagt der 46-jährige Italiener. "Seit heute wird imAkkord in die tiefere See hinein verlegt."

Sabatini greift zum Fernglas. Sein Blick schweift nach Achtern,wo der Pipelinestrang Zentimeter für Zentimeter vom Schiff in dieTiefe gleitet und 100 Meter entfernt das Untersuchungsschiff"Grampian Surveye"" einen Tauchroboter am Haken hält, der dasAufsetzen der tonnenschweren Last auf dem 17 Meter tiefenMeeresgrund kontrolliert. Steuerbords macht gerade der norwegischeFrachter "Normand Flipper" fest - an Bord 35 neue Rohrsegmente ausdem Betonummantelungswerk Mukran, genug für weitere 420 MeterOstseepipeline. Sofort wird die Ladung mit einem der beidenSchwerlastkrane an Bord der "Castoro 6" gehievt.

Im Schiffsinneren herrscht kaum zu ertragender Lärm. Im knappvier Meter hohen Zwischendeck kommt ein Rohrsegment nach dem anderenauf die Taktstraße. Schweißer setzen sie zu Doppelteilen zusammen,dann schrillt eine Sirene und der gewachsene Strang schiebt sich 24Meter weiter über die abwärts führende Fertigungsstrecke, woSpezialisten die Schweißnähte noch einmal per Ultraschall prüfen.Kurz bevor der Strang achtern über einen 40 Meter langen Ausleger inden Ostseefluten verschwindet, werden die Anschlussstellenversiegelt und ein letztes Mal von Inspektoren desBetreiberkonsortiums Nord Stream und der norwegischenZertifizierungsfirma DNV kontrolliert.

Pro Tag wächst die Pipeline derzeit von Deutschland jeweils 2,5Kilometer hinaus in die offene See. Vier Zubringerschiffe versorgendie beiden Verlegeschiffe vor Rügen unablässig mit vorbereitetenRohrsegmenten. An Bord wird rund um die Uhr gearbeitet. Allein aufder "Castoro 6" sind 330 Arbeiter der Reederei Saipem im Einsatz,vor allem Philippiner, Italiener, Ukrainer, Schotten, Norweger undHolländer.

Zusammen mit dem weltweit größten, 367 Meter langen Verlegeschiff"Solitaire", das im Finnischen Meerbusen vor Russland im Einsatzist, wurden bislang schon mehr 470 der insgesamt 1220 Kilometerlangen Rohrtrasse durch die Ostsee verlegt, darunter 54 Kilometervor der deutschen Küste. Schon Ende 2011 soll das erste sibirischeErdgas durch den ersten der beiden Zwillingsstränge nach Europafließen. "Wir liegen gut im Zeitplan", sagt Nord-Stream-SprecherinMaud Amelie Hanitzsch. Nur Herbst- und Winterstürme mit mehr alsfünfeinhalb Meter hohen Wellen könnten die Verlegearbeitenzwischenzeitlich unterbrechen.