Geldkarte High-Tech made in GDR: Als die DDR auf eine Karte setzte
Vor 35 Jahren gaben Banken und Sparkassen in Ostdeutschland die ersten Geldkarten aus. Der Entwicklung aus Sachsen war kein langes Leben beschieden.

Radebeul/MZ - Sie kam aus dem Kombinat Nagema in Radebeul und sah vor 35 Jahren schon fast so aus wie heute: Die sogenannte Geldkarte, die DDR-Sparkassen ab 1987 auf Antrag an ihre Kundinnen und Kunden ausgaben, unterschied sich in der Größe und im Aufbau kaum von Giro- und Kreditkarten, wie sie heute fast jeder Deutsche im Portemonnaie stecken hat.
Das Plastikkärtchen war 8,5 mal 5,4 Zentimeter groß, es enthielt den Name des Besitzers, seine Kontonummer, dazu die DDR-eigene sogenannte Personenkennzahl, eine unfälschbar ins Material gedruckte eigenhändige Unterschrift und ein Passfoto des Inhabers. Wer eine solche Geldkarte besaß, konnte an anfangs einigen wenigen, zum Ende der Arbeiter- und Bauernrepublik aber immerhin an nahezu 300 Geldautomaten kostenfrei 40 bis höchstens 500 DDR-Mark abheben.
Ein später Aufbruch in ein neues Zeitalter. Bereits 1968 hatte der auf Schiffselektronik spezialisierte Tüftler Jürgen Dethloff mit seinem Kollegen Helmut Gröttrup, einem Experten für Raketensteuerung, im Westen das Patent für die „Identifikand mit integrierter Schaltung“ genannte Plastikkarte angemeldet.
30 Milliarden Karten weltweit
Es war eine der letzten großen High-Tech-Erfindungen aus Deutschland, die die Welt nachhaltig veränderten. Heute existieren allein in Deutschland fast 40 Millionen Kreditkarten, dazu kommen etwa 100 Millionen Girokarten. Weltweit zahlen acht Milliarden Menschen mit rund 30 Milliarden Geldkarten. Die vom Kombinat Robotron in Zusammenarbeit mit dem VEB Wägetechnik Rapido in Radebeul und der Hochschule für Verkehrswesen Dresden entwickelte DDR-Geldkarte, mit der „Geldkarten-Anordnung“ von 1987 offiziell eingeführt, hat nur noch Museumswert.
Dabei hatte die kleine grüne Karte für die DDR ein großer Schritt in die Zukunft sein sollen. Vier Jahre dauerte die Entwicklung eines DDR-eigenen Geldautomaten und eines fälschungssicheren Systems. Mit Hilfe der Eingabe einer damals nicht PIN, sondern „PBC“ für „Persönlicher Bank Code“ genannten Geheimnummer konnten automatisiert Geldbeträge abgehoben werden. Die mussten stets durch 20 oder 50 teilbar sein, weil die Automaten ausschließlich mit 20er und 50er Scheinen bestückt waren.
High-Tech made in GDR
Hinter dem Ausgabeschlitz werkelte High-Tech made in GDR: Auf einem K 1520-Rechner von Robotron lief das in der DDR entwickelten Betriebssystem SIOS, ein Lesegerät zog die Informationen vom Magnetstreifen der eingeführten Karte und glich die vom Kunden eingegebene PBC mit den auf der Karte verschlüsselt gespeicherten Daten ab.
Weil die DDR-Geldautomaten, zu finden zumeist nur in großen Städten, nicht mit den Datenbanken der Geldinstitute vernetzt waren, mussten beim Nachfüllen der Geldkassetten die Disketten mit dem Buchungsprotokoll entnommen und durch leere ersetzt werden. Erst in der Sparkasse wurden die Daten dann in das bankinterne EDV-System eingespielt.
So viel Sicherheit reichte bis 1990 aus. Es ist kein Fall bekannt geworden, in dem ein DDR-Automat geplündert wurde. Doch obwohl die Nagema-Geräte mit der Währungsunion noch auf die Ausgabe von D-Mark umgestellt wurden, endete ihre Ära Anfang 1991 mit der Außerdienststellung und der Demontage. Auch Nagema und Robotron verschwanden von der Landkarte.