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Weniger Menschen, wachsende Aufgaben

Von Stefanie Hommers 21.03.2006, 16:00

Zieko/MZ. - "Wir sind bereit, zu sparen." Pfarrer Dankmar Pahlings ist sich der schwierigen finanziellen Lage der Anhaltischen Landeskirche bewusst. Sinkende Geburtenraten, Menschen die - der Arbeit nachziehend - das Land verlassen. Die demographische Situation Sachsen-Anhalts geht auch an den Gläubigen nicht spurlos vorüber. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte die Evangelische Kirchenprovinz Anhalt rund 460 000 Mitglieder - heute sind es noch 50 000, Tendenz sinkend.

Und auch die Altersstruktur verheißt nichts Gutes: 50 Prozent der Protestanten im Gebiet der Anhaltischen Landeskirche sind älter als 60 Jahre. Sparen heißt das Gebot der Stunde. Und auch wenn Matthäus im Neuen Testament gebietet: "Ihr könnt nicht beiden Herren dienen: Gott und dem Geld", gilt es für die Landeskirche und ihre Bediensteten einen Spagat zu schaffen: zwischen dem Gebot seelsorgerischer Betreuung und den finanziellen Möglichkeiten, diese zu gestalten.

Bei der Gemeindekirchenratssitzung der Hoffnungsgemeinde in Zieko am Montagabend wurde mehr als deutlich, dass dieses Dilemma auch die ländlichen Gemeinden des Kirchenkreises Zerbst trifft. Als fraglich erwies sich indes, wie notwendige Einsparungen gestaltet werden können und welche Konsequenzen daraus folgen.

Alle Kollegen im Kirchenkreis hätten ihre Bereitschaft bekundet, auf einen Teil ihres Gehaltes zu verzichten, um die flächendeckende seelsorgerische Tätigkeit bei Erhalt der derzeitigen Stellenzahl aufrecht zu erhalten, bekundete Pfarrer Pahlings gegenüber Kirchenpräsident Helge Klassohn. Dieser hatte sich eigens nach Zieko aufgemacht, um die Sparbeschlüsse der Synode der Anhaltischen Landeskirche zu erläutern. Zwölf Pfarrstellen will bzw. muss die Landeskirche einsparen, hinzu kommen sechs Kantorenstellen und zwei Streichungen im Finanz- und Verwaltungsbereich. Für den Kirchenkreis Zerbst bedeutet dies: Statt bisher neun wird es nur noch 8,25 Pfarrstellen geben. Nach dem aktuellen Stellenplan ist Zieko keine Vollstelle mehr, sondern wird nur noch mit 75 Prozent veranschlagt. Verschärft wird die Situation vor Ort dadurch, dass der Wörpener Pfarrer Martin Bahlmann Ende August eine neue Aufgabe übernimmt. Die Pfarrstelle wird nicht mehr neu besetzt, es gilt der beschlossene Einstellungsstopp, und wie die anstehende Arbeit verteilt werden soll, ist noch offen.

"Die jetzt noch hier arbeitenden Pfarrer werden verheizt, und die Kirche verkommt zu einem Dienstleistungskombinat", befürchtet Gemeinderatsmitglied Kai Eichelbaum, "taufen, verheiraten, beerdigen, das war es dann - lebendiges Gemeindeleben findet nicht mehr statt", so sein düsteres Szenario.

Das gehe an die physischen Grenzen der Pfarrer, so auch die Angst von Antje Bahlmann, selbst als Lektorin in der Gemeinde aktiv. "Dass immer weniger Menschen vor immer mehr Aufgaben stehen, das geht auch mir nahe", bekundete Helge Klassohn im Gespräch. Ein freiwilliger Gehaltsverzicht der Pfarrer als Lösung sei indes juristisch schwieriges Terrain. Und beileibe nicht als Allheilmittel anzusehen, ergänzte Kreisoberpfarrer Thomas Meyer. "In ein paar Jahren ist der Schnitt dann umso größer."

Dass der Kirchenkreis Zerbst beim Streichkonzert noch vergleichsweise glimpflich davon kommt, war den Gemeindevertretern kaum ein Trost. Man werde wohl auf verstärktes ehrenamtliches Engagement angewiesen sein, so die allgemeine Einschätzung. Der Gesang, der die Debatte abschloss, präsentierte sich als wahrhaft frommer Wunsch: "Lass uns in deinem Namen Herr, die nötigen Schritte tun".