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Neue Sonderausstellung Neue Sonderausstellung: Kunst und Poesie in Miniaturen vereint

Von Karina Blüthgen 20.04.2001, 09:12

Wittenberg/MZ. - Kaum fassbar ist die schwarze Zeichnung aus Tusche, die das schlanke orientalische Gefäß für Augenschminke aus Kamelknochen ziert. Daneben ein hölzernes Schreibetui, darauf in Lack eine Malerei mit Rose und Nachtigall. "Rosen und Nachtigallen" ist auch der Titel der neuen Sonderausstellung im Wittenberger Natur- und Völkerkundemuseum "Julius Riemer", die am Sonnabend 15 Uhr eröffnet wird.

Die Besucher erwartet eine sinnliche Schau - sinnlich in der Art, dass das Auge nicht müde wird zu schauen. Feingewebte Stoffe mit filigranen Mustern, verschlungene Email-Dekore auf kupfernen Vasen, geometrische Muster auf steinernen Schalen, winzige Einlegearbeiten aus Messing und gefärbtem Holz auf Kamelknochen. Doch ist die Ausstellung auch sinnlich in einer sehr poetischen Bedeutung. Rosen und Nachtigallen symbolisierten in den Versen des iranischen Dichters Hafis (um 1325 - 1390) das fließende Ineinander-über-gehen von mystischer und sinnlicher Liebe. Zum Grab des Künstlers, der Goethe zu seinem West-östlichen Diwan inspirierte, pilgern noch heute frisch verheiratete Ehepaare und rezitieren dort seine berühmten Verse.

Zwei Reisen haben zur Ausstellung beigetragen. Zum einen jene des gebürtigen Leipzigers Philipp Walter Schulz, der 1897-99 durch den westlichen Iran reiste und von dort rund 1 500 Gegenstände, zumeist kunsthandwerkliche Objekte, und Fotos mitbrachte. 1900 wurde die Schau in Leipzig gezeigt, danach waren immer nur kleine Teile in anderen Ausstellungen zu sehen. Erst hundert Jahre später erwachte die Sammlung mit spielerischem Dekor auf zweckmäßigen Gegenständen wieder zum Eigenleben. Die zweite Reise von Mitarbeiterin des Völkerkundemuseums Leipzig im März 2000 setzte fort, was Schulz begann. "Wir waren drei Wochen im Iran, gemeinsam mit Mohammad Reza Malmanesh, einem Ethnologie-Studenten, der in Leipzig sein Praktikum machte", erzählt Inge Seiwert, wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Schwerpunkt Westasien im Leipziger Museum. "Es war keine Hotelreise, wir sind bei Familien gewesen. Uns interessierte, was schon Schulz interessiert hatte: der Alltag, das Leben der Leute, ohne politischen Stress." Moderne Gegenstände, teilweise noch immer in alten Handarbeitstechniken gefertigt, ergänzen die frühere Sammlung. Beides ist in Wittenberg zu sehen. Kleidung, Hausrat, Spielzeug, Schmuck von Männern und Frauen, gläserne Vasen von ungeahnter Leichtigkeit. Dazu auf versilbertem Kupfer eine Menagerie mit Pfauen und Kranichen. Oft ist nicht erkennbar, was alt und was modern ist. Anders bei den Bildern. Schulz Fotos haben eine Zeit, seine Zeit, eingefangen. Dem gegenüber stehen die farbigen, lebendigen Momente, die Karin Wieckhorst bei jener Iran-Reise im März 2000 festgehalten hat: die Welt der Basare; lachende Frauen unter dem Tschador, dem traditionellen Schleier; der Wahrsager vor der Moschee; eine junge Frau und ein Mann gemeinsam in der Teestube; das Musikzimmer mit durchbrochenen Wänden für die besondere Akustik. Und, wie könnte es anders sein, die allgegenwärtigen Rosen und Nachtigallen, nun auf Garagentoren.

150 ausgewählte Gegenstände, die schon verpackt waren für eine Ausstellung in Schiraz (Iran), sind nun dank der guten Kontakte des Wittenberger zum Leipziger Völkerkundemuseum für zwei Monate in der Lutherstadt zu sehen. Hafis eigene Verse geben dem Besucher wohl das beste Geleitwort: "Angelockt vom Duft der Rosen, trat ich in den Garten ein, wie die Nachtigall zu finden Heilung meiner Herzenspein, blickte wehmutsvoll versonnen auf der roten Rosen Pracht, die wie lustige Laternen strahlten in der dunklen Nacht .".