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Wo beginnt sexueller Missbrauch? Einzelfall beachten

16.03.2010, 15:36

Berlin/dpa. - Wo beginnt sexueller Missbrauch von Kindern? Dies kann schon bei scheinbar harmlosen Berührungen der Fall sein - muss es aber nicht. Eine Situation richtig einzuschätzen, ist manchmal schwierig.

Wenn es zu Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern kommt mit dem Ziel, die sexuellen Bedürfnisse des Erwachsenen zu befriedigen, spricht man von sexueller Gewalt, erklärt Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes in Berlin.

Streicheln im Genitalbereich, sich vom Kind am eigenen Körper berühren lassen, das Zeigen von Filmen oder Bildern zur sexuellen Stimulation und schließlich die Penetration - das alles gehört zu sexueller Gewalt. Auch das Machtgefälle zwischen dem Erwachsenen und dem Kind spiele eine Rolle. Und selbst «normales» Streicheln könne Grenzen überschreiten, sagte die Expertin.

Ein Beispiel: Beim Schulausflug fällt ein Kind hin und weint. Der Lehrer nimmt es in den Arm, um es zu beruhigen. Ist das schon zu viel? «Tröstet der Lehrer das Kind direkt nach dem Unfall vor der ganzen Gruppe, dann hat das sicherlich nichts mit einem sexuellen Übergriff zu tun», sagte Honkanen-Schoberth. Kommt der gleiche Lehrer aber abends zum Kind ans Bett, um es dort noch einmal zu trösten, sei das anders zu beurteilen. «Dann hat das nichts mit dem aktuellen Unfall zu tun. Da kommt es auf die Situation und die Intention des Lehrers an.»

Eine wichtige Frage sei auch: Wie erlebt das Kind die Situation? Fand es das Verhalten des Erwachsenen unangenehm? In solchen Fällen sollten Eltern hellhörig werden. «Aber kleine Kinder können solche Situationen aufgrund ihres Alters nicht immer richtig einordnen», erklärte die Expertin. Das macht es wiederum schwierig. Das Empfinden des Kindes sei also kein verlässliches Bewertungskriterium.

Wichtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern sprechen und fragen: «Wie war das? War das für dich in Ordnung?» Und sie sollten ihren Nachwuchs unabhängig von solch schwierigen Situationen über Gewalt an Kindern aufklären. «Sagen Sie, dass es Erwachsene gibt, die Kinder berühren wollen, und dass das nicht in Ordnung ist.» Sie sollten aber nicht bei jedem Trösten Aspekte sexueller Gewalt ins Spiel bringen: «Das verunsichert die Kinder nur», sagte Honkanen-Schoberth.

Das Kind müsse außerdem wissen, dass es immer über alles mit den Eltern sprechen darf. Zum Schutz gehöre auch, dass Eltern die Wünsche des Sohns oder der Tochter respektieren. Ist es dem Kind zum Beispiel unangenehm, von einer Tante abgeknutscht zu werden, gilt es das so hinzunehmen - selbst wenn die Tante dann enttäuscht ist.

Beratungsstellen des Kinderschutzbundes: http://dpaq.de/dksb_beratungsstellen