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Vergessenes Idyll am Hufeisensee

Von Steffen Drenkelfuß 29.09.2003, 12:27

Halle/iposa. - Vor der Wende war das “Wasserski“ Bestandteil des Sportclubs und für die Öffentlichkeit nicht zugängig. Nur wer einen kannte, der einen kannte, ... tja der durfte dann schon mal dort Abi-Abschlüsse feiern oder nach dem Nachtangeln sein müdes Haupt in ein Doppelstockbett im Sportler-Bungalow betten. “Nach der Wende habe ich den Laden dann per Pacht übernommen“, erzählt der gelernte Koch. “Ich wollte was Eigenes machen. Herumgekommen war ich ja viel.“ Und gelernt hatte er dabei auch einiges. Seine Lehre absolvierte Kay Stache im einst stadtbekannten Klubhaus der Gewerkschaften. Dann wurde er Koch im Spezialitätenrestaurant Hubertus. In der “Hupe“ wurde baschkirisch gekocht. “Plow, eine Art Hammelgulasch sowie Pelmeni und Schaschlyk waren dort die Hauptgerichte.“ Während der Armeezeit in den Achtzigern war er Küchenleiter bei brandenburgischen Baupionieren.

“Die Wende überraschte mich dann im Klubhaus des Kali- und Salzschachtes Bleicherode“, erzählt Stache und schält stoisch seine Kartoffeln weiter. Was kam, waren Arbeitslosigkeit und die Heimkehr nach Halle. Und der Tipp eines Bekannten: Eine kleine idyllische Kneipe sei zu pachten. Also schlug Stache zu. Keine Kredite, kaum Eigenkapital. Investiert wurde nur in das Nötigste. Der Charme der DDR überlebte unverfälscht.

Dass das kein Nachteil sein muss, beweisen die Kunden. Im Sommer trifft sich im absolut ruhig gelegenen Biergarten ein ganz illustres Völkchen. “Stammgast ist unter anderem ein Gruppe von Freebikern aus Halle“, und Kay schwärmt von den verchromten Donnerbüchsen mit so klangvollen Herstellernamen wie Harley Davidson, Triumph oder BMW. Die Biker vertragen sich ohne Probleme mit den ausspannenden Wasserski-Akrobaten, mit den zufällig vorbeigekommenen Spaziergängern und den Badegästen, die hier mal eben ein kühles Bier schlucken. Selbst die Schönheiten leicht zweifelhafter hallescher Etablissements nehmen hier eine Auszeit und frischen ihren Teint auf – und bringen schon mal Kay gestoßenes Eis mit, um ihre Spezialdrinks zu mixen.

Dabei geht es entspannt zu, alle genießen die Aussicht, und wenn sich auch noch ein Wasserskiläufer – möglichst ein Anfänger - über die Sprungschanze schleppen lässt, ist auch für lustige Unterhaltung gesorgt. Oder man hofft auf einen solchen Auftritt: “Vor einiger Zeit ist mal vom nahen FKK-Flecken ein Pärchen ins vollbesetzte Lokal gekommen. Nackt, splitterfasernackt aber immerhin Hand in Hand“, Kay muss noch heute herzlich darüber lachen. “Und dann fragt der Nackedei nur, ob wir auch Kekse hätten. Großartig.“ Kays Bauch hüpft auf und ab, für einen kurzen Moment unterbricht er das Kartoffelschälen.

Dabei hätte sich doch sicherlich etwas finden lassen, auf der umfangreichen Speisekarte. Etwa die legendäre Schweinshaxe für 7,50 Euro. Aber egal was man auch bestellt, die Zutaten sind ganz frisch. Darauf legt der dicke Kay, Koch aus Leidenschaft, großen Wert. Auch großen Wert legt er auf Kundenfreundlichkeit: “Im Sommerhalbjahr ist täglich geöffnet, im Winterhalbjahr nur der Montag Ruhetag.“ Kay legt das Messer beiseite, betrachtet die drei Eimer geschälter Kartoffeln. Sollen wohl Bratkartoffeln werden? “Nö, für die Gulaschkanone. Einmal im Monat feuere ich die an und Koche Erbsensuppe“, brummt Kay. Und die Erbsensuppe ist auch legendär. Die Kanenaer stehen dann in langen Schlangen und mit Töpfchen in der Hand. Ernsthaft.

“Wasserski“: 0345 5800767