USA USA: Nasse Hölle am Mississippi-Delta

Lafayette/dpa. - Gleich hinter New Orleans beginnen dieSümpfe Louisianas, die Swamps. In die urwüchsige Natur desMississippi-Deltas im Süden der USA wagen sich bis heute nur wenigeTouristen vor. Dabei gibt es hier auch eine interessante Kultur zuentdecken: Vor rund 250 Jahren kamen französische Siedler alsFlüchtlinge an das Südufer des Mississippi jenseits von New Orleans.Noch heute erinnern Familiennamen wie Dantin, LeBlanc, Tibodeaux,Prudhomme, Bienvenu und LeBoef an diese Zeit.
Die Swamps, größer als Niedersachsen, waren das einzig freie Land,das noch niemandem gehörte, ein «nasser Vorhof zur Hölle», wie man inLouisiana glaubte. Das Klima ist oft schwül-heiß, 28 Grad werden alsjährliche Durchschnittstemperatur gemessen. Die Einwanderer ließensich jedoch nicht schrecken und bauten ihre Häuser, Kirchen undDörfer in die sumpfigen «Wetlands».
Ihre Nachkommen halten das Erbe lebendig: Einmal jährlich verlässtder Banker Antoine sein Büro in New York, um im Hinterland vonLouisiana Gemüse, reichlich Knoblauch, scharfe Wurst, Hühnerfleischund Schinken zu würfeln. Sein Jambalaya, ein nach alten RezeptenLouisianas gekochter Eintopf mit «Jambon alaya» (viel Schinken) istberühmt. Gemeinsam mit anderen Männern sitzt Antoine vor den Zeltenam Rande des «Acadian Village», eines liebevoll gepflegtenMuseumsdorfes bei Lafayette, dem größten Ort in den SümpfenLouisianas.
«Das schönste Stück Erde, das es gibt», sagen die Acadianer, wiesich die Sumpfbewohner selbst nennen. Die übrigen Amerikaner machtendaraus der Aussprache wegen «Cajun», womit außer den Sumpf-Franzosen selbst auch ihre Kultur beschrieben wird.
Im sonst von Algen braun-grün gefärbten Wasser spiegeln sich diehohen Bäume, die sich auf den Landstreifen im Sumpf gegenseitig denPlatz streitig machen und sich mit weit ausholenden Wurzelstöcken sowirksam in den Sumpfboden krallen, dass auch die gelegentlichenHurrikans sie nicht umwerfen können. Von den imposanten Sumpfeichenhängt in langen Strähnen das spanische Moos herab, in den Büschendarunter versteckt sich das Wild. Die Blüten tropischer Pflanzenwirken mancherorts wie ein grellbuntes Muster auf tiefgrünem Grund.
Philippe Robicheux zeigt von seinem Motorboot aus, wie diesesSumpfland am Südrand des Mississippi-Stroms entstanden ist. Wenn«Phil» Ausflügler zu den Plätzen fährt, von denen aus Pelikane undDelfine am besten zu beobachten sind, wählt er zunächst einFahrwasser, das durch weitläufige Gruppen von mannshohen Inselnführt, auf denen die unterschiedlichsten Pflanzen wachsen. «Der Flusshat die Samen gebracht», erklärt Phil die Vielfalt. Wo sich am EndeMississippi-Wasser und das Meereswasser des Golfs von Mexikovermischen, gibt es nur noch flache Inselchen mit etwas Gras.
Niemand in Louisiana weiß ganz genau, wie groß der Staat wirklichist. Die unzugängliche, 450 Kilometer lange Küste südlich desMississippi-Deltas verändert sich ständig. Vom Wasserflugzeug siehtder Übergang vom Land zum Meer wie ein löchriger Flickenteppich aus.Insgesamt wächst Louisiana noch immer. Der Mississippi-Strom lädthier ungeheure Mengen an Sand, Schlick und Geröll ab, die er aufseinem 6021 Kilometer langen Weg längs durch Nordamerika aufgesammelthat. Die Swamps sind Schwemmland. Nur die Wasserläufe, Tümpel undSeen dazwischen erinnern noch an Fluss und Meer.
Die ersten Siedler stellten sich schnell auf das Leben im Sumpfein. Wo Hochwasser droht, setzten sie die Häuser auf Pfähle. Siewaren und sind Künstler im Bootsbau. Der Sumpf und das Meer liefertenfast alles, was sie brauchten. Holz und Wild kamen aus dem Sumpfwald.Entlang des Wassers wuchs Baumwolle für die Bekleidung, Zuckerrohr,Mais, Reis und jede Art von Gemüse. Die Bayous genannten Wasserläufeund das Meer lieferten Fisch, Krebse und Shrimps, Leder ausAlligatorhaut war ein begehrtes Tauschmittel.
Mit den Chilis und dem Salz, das im Sumpf gefunden wird, werdendie feurigscharfen Würzsoßen Louisianas gebraut, deren bekanntesteTabasco ist. «Cajun Cooking» wird in vielen Restaurants in Louisianaangeboten. Die französisch raffinierten Rezepte der Siedler, diealles nutzten, was es rund um ihre Siedlungen an Essbarem gab, werdeninzwischen in ganz Amerika nachgekocht.
Wenn es Abend wird, zünden Antoine, Jacques, Pierre und all dieanderen aus dem Cajun-Zeltlager nach alter Sitte das Lagerfeuer an.Jetzt werden die Musikinstrumente herausgeholt - das wichtigste vonihnen ist die Ziehharmonika -, und es wird gespielt und gesungen, wiees in Cajunsiedlungen bis heute üblich ist. Ob in Pointe-aux-Chenes,Jeanerette, Lafourche, Tibodaux oder St. Martinville: Überall gibt esöffentliche Tanzböden. Oft beginnt der Tanz gleich nach demKirchgang, und wer am Rand stehen bleibt, wird bald auf dieTanzfläche gezogen. Cajuns zeigen gerne die richtigen Schritte fürihre alten Tänze.
Vor etwa 30 Jahren wurde über den Swamps das letzte Teilstück derFernstraße Interstate 10 gebaut. Dazu mussten mehr als 60 KilometerPfähle - die meisten davon höher als die mächtigsten Sumpfbäume - inden nassen Untergrund gerammt werden. Von dieser Brücke aus sind nunweite Teile der Swamps auch per Auto erreichbar. Aber vom Boot ausversteht man besser, warum nicht nur Antoine und seine Freundesüchtig sind nach dem Sumpf.
Informationen: Fremdenverkehrsamt Louisiana/New Orleans, WiechmannTourism Service, Scheidswaldstraße 73, 60385 Frankfurt (Tel.: 069/2553 82 70, Fax: 069/25 53 81 00, E-Mail: [email protected]).