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USA USA: Der Yosemite Park überrascht durch Kontraste

Von Arnd Petry 01.07.2003, 09:20
Naturparadies im Hinterland Kaliforniens - der Yosemite Nationalpark in der Sierra Nevada besteht bereits seit 1890. (Grafik: dpa)
Naturparadies im Hinterland Kaliforniens - der Yosemite Nationalpark in der Sierra Nevada besteht bereits seit 1890. (Grafik: dpa) Sven-E. Hauschildt

Yosemite Valley/dpa. - Erbsengroße gelbe Kügelchen am Bodenverraten das Revier des Ground Squirrels, vergrabene Tannenzapfen dasWinterlager des Baumhörnchens und ein Trampelpfad, kaum breiter alszwei Finger, die so genannte Buschschwanz-Holzratte. Wer im YosemiteNationalpark im US-Bundesstaat Kalifornien die Lebenswelt vonWildtieren erkunden möchte, braucht gute Augen, denn die meiste Zeitwird er mit Spurensuche verbringen. Selbst wenn sich lebende Tierezeigen, verlassen sie beim Anblick der Besucher oft schneller als dieKameras klicken können ihren Ausguckplatz.

Doch es sind ohnehin nicht die kleinen Hörnchen oder Wiesel, diejährlich etwa 3,5 Millionen Besucher in die Berge der Sierra Nevadalocken: Im Yosemite Nationalpark wachsen mit Mammutbäumen der ArtSequoiadendrum giganteum die größten Lebewesen, die je auf diesemPlaneten gediehen. Zudem beherbergt er den höchsten WasserfallNordamerikas: den 739 Metern hohen Yosemite Fall. Dieser setzt sichallerdings aus drei kleineren Wasserfällen zusammen, die jedochjeder für sich betrachtet - nicht rekordverdächtig hoch sind.

Vor allem aber ist es die spektakuläre Schönheit der Landschaftselbst, die die Besucher in ihren Bann schlägt: Zu den Attraktionengehören die mehr als 1000 Meter aufragenden, von Gletschernrundgeschliffenen Granitblöcke des Half Dome und des El Capitan, dieje nach Lichteinfall grau, braun marmoriert, orange oder rosaerstrahlen. Eher von sanfter Schönheit ist das Yosemite Valley mitseinen klaren brodelnden Bächen, sattgrünen Sommerwiesen und dunklenBergwäldern. Schon die ersten Siedler schwärmten von der Gegend,vergleichsweise früh, im Jahr 1890, wurde sie zum Nationalparkerklärt. Den Grizzlys im Yosemite Valley der Name leitet sich abvon der indianischen Bezeichnung für Grizzlybär: o-ham-i-tee - halfdies freilich nicht mehr: Das letzte Exemplar wurde hier 1895 erlegt.

Der Naturschützer John Muir geistiger Vater des Nationalparksprägte für Yosemite Valley den Begriff «The Incomparable Valley», dasunvergleichliche Tal. Unter Geologen gilt die Region als einMusterbeispiel für das Entstehen und Vergehen von Gletschern. Währendder vergangenen eine Million Jahre haben sie den ehemals V-förmigenCanyon des Merced River glatt geschliffen und in einenhufeisenförmigen Talkessel verwandelt.

Besonders gut sichtbar wird dies vom bekanntesten Aussichtspunktdes Parks aus dem Glacier Point, einer Felsspitze rund 1000 Meterüber dem Talboden. Hier sitzen Touristen in der ersten Reihe, wenn esgilt, den Sonnenuntergang und das damit verbundene Farbspiel auf demgegenüber liegenden Half Dome zu verfolgen. Einsame Gipfelerlebnisseverspricht Glacier Point allerdings nicht: Kaum ein Parkbesucher willsich das Foto des rosafarbenen Felsgiganten entgehen lassen.

Der Ansturm der Besucher ist das größte Problem derNationalparkverwaltung: Yosemite Valley sei in den vergangenenJahrzehnten zu einem Ökofreizeitpark verkommen, argumentierenNaturschützer. Ein eigener Mittelwellensender empfängt Besucher schonwährend der Anfahrt auf die Parkeingänge, ein Magazin und eineZeitung informieren über Ausstellungen, geführte Wanderungen oderLagerfeuer, bei denen «Trapper» Geschichten von Freiheit undAbenteuer zum Besten geben.

Scott Gediman von der Nationalparkverwaltung nennt dies«Besucherlenkung». Schließlich seien 70 Prozent der BesucherTagesgäste, die fast alle auf nur 5 Prozent der Parkflächezusammenströmen: im Tal, an den Wasserfällen und an einigen weiterenAussichtspunkten. In viele andere Regionen des Parks verirre sichkaum je ein Mensch.

Gravierender ist Gediman zufolge das Bärenproblem: Schwarzbären,die auch braun oder blond sein können, rücken bei der Suche nachFutter den Campern zuweilen bedrohlich dicht auf den Leib. «Diereißen Wagentüren auf oder drücken die Scheiben ein», erzählt Gedimanund legt ein paar Fotos auf den Tisch. Die Bilder zeigen einen derPetze, wie er auf dem Dach eines Autos steht. Die abgerissene Tür desWagens liegt im Gras.

Einmal an diese Art der Nahrungsbeschaffung gewöhnt, hilft oft nurdie Umsiedlung des Bären in abgelegene Regionen. «Im Notfall müssenwir solche Bären töten», sagt Gediman. Sie könnten sonst zu einerGefahr für Menschen werden, an denen sie Gediman zufolge aber keinInteresse als Futter haben.

Um die Bären nicht abhängig vom Picknickkorb der Parkbesucherwerden zu lassen, sind mittlerweile alle Camper im Park angehalten,ihr gesamtes Proviant in bärensichere Stahlkästen einzuschließen. DieStrategie scheint zu fruchten: Vor vier Jahren wurden noch insgesamt1100 Vorfälle mit Bären gezählt, im Jahr 2002 waren es lediglich 560.Menschen wurden nicht verletzt. Ein Bär musste jedoch getötet werden,fünf wurden umgesiedelt.

Die rostigen Futtersafes wecken allerdings auch die Interessenanderer Tiere: Streifenhörnchen haben darunter ihren Bau gegraben undsich so eine strategisch günstige Position zur Nahrungsbeschaffungerobert. Wenn Camper zum Frühstück die Pforten zum Futterwunderlandöffnen, nutzen die Tiere ihre Chance und versuchen, Cornflakes oderDosenfisch in ihren Besitz zu bringen. Zurückhaltung ist ihre Sachenicht: Zum Frühstück sitzen sie mit am beziehungsweise auf dem Tisch,schauen vorsichtig hinter der Milchflasche her und stürzen sichentschlossen auf die Tomatenscheibe, die bereits fertig zum Verzehrdurch menschliche Esser auf dem Butterbrot lag.

Während Begegnungen am Frühstückstisch eher zu den ungeplantenAttraktionen gehören, ist die Besichtigung der Giant Sequoias zumeistfester Bestandteil des Besuchsprogramms: Unvermittelt stehen dieGiganten am Wegesrand und verändern die Sicht auf den ganzen Wald.Pinien und Fichten, die zuvor ihrer stolzen Größe wegen nochbewundernde Blicke auf sich, wirken neben diesen Baumriesen wieUnterholz. Einem Fernsehturm gleich ragt die rotbraune Säule vonSequoiadendrum giganteum in den Himmel.

Das Ende des Stammes, dessen Durchmesser bei alten Bäumen mehr alszehn Meter betragen kann, ist für den Besucher nicht zu sehen. Dieersten Zweige - mit Ausmaßen vom Stamm einer ausgewachsenen Eiche -kommen erst in großer Höhe. Als habe die Natur sich im Maßstabgeirrt, überragen die Baumriesen alle umliegenden Wipfel. Bis zu 6000Tonnen schwer und 100 Meter hoch sind die maximal 3000 Jahre altenBäume - die schwersten Organismen der Welt. In der Höhe werden sienur übertroffen von den Redwoods, einer - allerdings sehr vielschlankeren - Mammutbaumart aus den Küstenwäldern Kaliforniens undOregons.

Die Baumgiganten haben sich jedoch als verwundbare Riesenentpuppt. In ihren ökologischen Ansprüchen sind sie mimosenhaft: Nurwenn Temperatur und Feuchtigkeit weitgehend konstant sind, können siegedeihen - Bedingungen, die nur an der Westseite der Sierra Nevadaund nur an wenigen Stellen wie dem Tuolumne Grove zu finden sind.

Zudem sind ihre Wurzel trittempfindlich. Ein Übermaß anaufdringlichen Bewunderern hat schon so manchem der Riesen zugesetztund auch dessen Nachwuchs zertrampelt. Die Nationalparkverwaltung hatnun die Wege eingezäunt. Der Waldboden zu Füßen der Sequoias darfnicht mehr betreten werden. Es gilt die Losung: Wer Giganten schützenmöchte, sollte auf den Boden schauen und auch den kleinen Dingeneinen Blick schenken.