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Tourismus Tourismus: Kurztrip mit dem Billigflieger

11.02.2003, 10:23

Köln/Berlin/dpa. - Städtereisen sind oft ein Zweit- oder Dritturlaub. Es hätte deshalb niemanden überrascht, wenn derzeit eher auf sie verzichtet würde - schließlich müssen die Bundesbürger sparen. Doch das scheint nicht der Fall zu sein: Ein paar freie Tage in München, Madrid oder Mailand zu verbringen, steht weiterhin hoch im Kurs. Ursache dafür sind auch die Angebote von Billigfliegern wie Ryanair, Germanwings und Hapag-Lloyd-Express, die mit immer mehr Flügen innerhalb Europas die Konsumzurückhaltung ausgleichen. Für den Reisenden ergeben sich durch die Kombination aus Billigflug und anderen touristischen Produkten jedoch eventuell auch neue Risiken.

«Wir spüren nicht, dass auf die Zweit- und Drittreise verzichtet wird», sagt Anke Dannler, Sprecherin des Städtereisen-Marktführers Dertour in Frankfurt/Main. «Wir verzeichnen derzeit bei den Buchungen für Städtereisen ein Plus von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr», lautet die Zwischenbilanz von TUI-Sprecher Robin Zimmermann in Hannover. Nicht ganz so optimistisch ist Professor Martin Lohmann aus Kiel von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), er rechnet mit einer «Stagnation der Städtereisen auf hohem Niveau». Laut FUR sind Städtereisen die beliebteste Kurzreiseform, wenn man Verwandtenbesuche nicht mitzählt.

Auch Lohmann erwartet allerdings, dass sich bei den Kurztrips nach Berlin, Brüssel und Barcelona jetzt etwas ändert: Die neuen Angebote der Billigflieger führen dazu, dass Städtereisen immer seltener als komplette Veranstalterreise gebucht werden. Das heißt: Die Urlauber kümmern sich - etwa im Internet - zunehmend selbstständig um einen preiswerten Flug und erkundigen sich dann eventuell im Reisebüro nach einem Hotelzimmer oder anderen Dienstleistungen wie Ausflügen und Stadtführungen. Die Ticketbuchung im Reisebüro ist bei Gesellschaften wie Germanwings zwar ebenfalls möglich, doch läuft dieses Geschäft an den klassischen Vertriebsstellen bisher weitgehend vorbei, so die in Darmstadt erscheinende Branchenzeitschrift «Reisebüro Bulletin».

Die Reiseindustrie hat auf den Trend jedoch reagiert. Ende Januar gab Branchenprimus TUI bekannt, Billigflüge der Air Berlin und der Konzernmarke Hapag-Lloyd-Express mit dem Städtereisen-Programm von TUI Deutschland zu kombinieren. Mittelständische Anbieter wie der Portugal-Spezialist Olimar in Köln und der Studienreisen-Veranstalter Studiosus in München hatten bereits vorher solche Angebote aufgelegt.

Marktführer Dertour brachte vor Weihnachten ein Sonderheft in die Reisebüros, in dem Hotels und andere Leistungen in der Nähe der Billigflieger-Ziele zusammengefasst sind. Mit Hilfe des Heftes sollten die Mitarbeiter auf Kunden vorbereitet werden, die den Billigflug schon gebucht haben, aber noch Zusatzprogramme suchen. Auf komplette Veranstalterreisen mit Billigflug verzichtet Dertour aber.

Die Veranstalter der Thomas Cook AG in Oberursel (Hessen), darunter Neckermann Reisen, wollen künftig ebenfalls ihre Stadtprogramme stärker mit Billigflügen verbinden. Laut Thomas-Cook-Sprecherin Nina Dumbert wird derzeit mit Germanwings über Details verhandelt. Denkbar sei etwa eine Verlinkung der Web-Seiten.

Aus Sicht des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes (DRV) in Berlin hat der Einbau des Billigfluges in Veranstalterreisen wie bei TUI, Olimar und Studiosus für den Verbraucher einen Vorteil: Das Reiseunternehmen übernimmt die Haftung, wenn der Flug ausfällt oder sich extrem verspätet. Wer den Billigflug dagegen eigenständig bucht, trägt dieses Risiko selbst.

Das heißt: Fällt der preiswerte Flug aus, bliebe der Passagier auf den Kosten für das Hotelzimmer an jenem Tag sitzen. Und eine Umbuchung auf einen (Billig-)Flug später würde vor allem bedeuten, einen neuen - und in der Regel dann deutlich teureren - Ticketpreis bezahlen zu müssen. «Wer auf Nummer sicher gehen und dieses Risiko ausschließen will, muss eine Veranstalterreise buchen», sagt DRV-Sprecherin Sybille Zeuch.

Bei den Veranstalterreisen mit Billigflug gibt es allerdings Unterschiede. So nennt die TUI einen festen Ticketpreis von 99 bis 144 Euro für Hin- und Rückflug, zu denen bei Air Berlin eventuell noch Zuschläge kommen. Olimar dagegen verkauft die Billigflugtickets zum Tagespreis der Airline. «Der Preis der kompletten Reise steht also erst in dem Moment fest, in dem das Flugticket gebucht wird», erläutert Oliver Zahn, Leiter Verkauf und Produkt bei Olimar.

Die Flugpläne der Billigflieger dürften in diesem Jahr auch dazu führen, dass neue Ziele ins Blickfeld der Städtereisenden gelangen. «Die Billigflieger erschließen schließlich auch Städte abseits der ganz großen Metropolen», sagt Sybille Zeuch. Dies gelte zum Beispiel für Bergamo und Pisa in Italien oder für Montpellier in Frankreich. Die meisten Deutschen werden bei ihren Städtereisen aber auch 2003 im Inland bleiben, sagt Professor Lohmann voraus. Gerade Hamburg erlebt auf Grund neuer Musicals wie «Mamma Mia», «Titanic» und «Der König der Löwen» einen Aufschwung, bestätigt Dertour-Sprecherin Dannler.

Bei Studiosus stark gefragt sind Rom, Prag, Madrid, Lissabon und Paris, so Firmensprecher Klaus A. Dietsch. Und die TUI verzeichnet eine Verdoppelung des Interesses an London: Ein Wochenende dort komme vielen Menschen so teuer vor wie zwei Wochen auf Mallorca, so Robin Zimmermann. Wenn dann der Flug als Kostenfaktor eine kleinere Rolle spielt, entscheide sich aber mancher Zweifler dafür, doch loszufahren.

Langfristig droht den Städtereisen eine Gefahr aus einer ganz anderen Richtung: «Wenn ich überall in Europa durch die gleichen Filialisten-Fußgängerzonen spaziere, verliert der Einkaufsbummel ganz klar seinen Charme», befürchtet Professor Lohmann. Die Entwicklung in diese Richtung habe längst begonnen. Eine Antwort darauf könnten die Städte jedoch selbst mit neuen, einzigartigen Unterhaltungszentren oder auch durch besonders ausgefallene Kulturangebote geben.