Tour de France Tour de France: Schwer verletzter Sinkewitz muss aufgeben
Val d'Isère/dpa. - Der Schock saß tief. Nach den folgenschwerenVerletzungen des verunglückten Patrik Sinkewitz und des gestürztenKapitäns Michael Rogers hat das auf sechs Fahrer reduzierte T-Mobile-Team am Tour-Ruhetag in Val d'Isère erst einmal tief durchgeatmet.«Die letzten beiden Tage boten eine emotionale Achterbahn-Fahrt, unduns wurde vor Augen geführt, dass es in der Welt Wichtigeres alsRadsport gibt», sagte der neue Medienliebling Linus Gerdemann mitBlick auf Sinkewitz, der noch an diesem Montag oder Dienstag mit demFlugzeug in ein Hamburger Unfall-Krankenhaus gebracht werden sollte.Der mit dem Profi zusammengeprallte Zuschauer liegt mit schwerenKopfverletzungen im Koma.
Nach seinem Zusammenprall mit einem Zuschauer nach der Etappe amSonntag in Tignes hatte sich Sinkewitz eine Mittelgesichts-Fraktur,einen teilweisen Abriss der Unterlippe, einen Haarriss im Unterkiefersowie Verletzungen an Knien und an der Schulter zugezogen. Trotzdemgeht es ihm den Umständen entsprechend gut, und er «wird wieder ganzgesund», sagte Team-Manager Bob Stapleton. Rogers erlitt bei seinemSturz bei der Abfahrt vom Roselend eine Schultereckgelenks-Sprengung.Tour-Debütant Mark Cavendish, der entkräftet aufgab, war der dritteT-Mobile-Ausfall am schwarzen Sonntag.
«Die Moral im Team ist intakt, und wir sehen den weiteren Etappenmit Optimismus entgegen. Unsere Taktik wird sich nicht verändern: Wirwerden weiter wie bisher offensiv fahren und versuchen, Etappen zugewinnen», sagte Team-Manager Bob Stapleton. Auch nach demAusscheiden von Rogers wird sich an der Arbeitsteilung im Team nichtviel ändern. «Wir legen die Last der Kapitänsrolle jetzt nicht aufLinus. Das wäre für einen so jungen Fahrer zu viel. Der erfahreneAxel Merckx wird jetzt derjenige sein, der dem Team Orientierungbieten soll», erklärte Stapleton.
Auch Gerdemann will sich von der Euphorie nach dem Etappensieg inLe Grand-Bornand, der dem Tour-Debütanten aus Münster für 24 Stundendas Gelbe Trikot bescherte, nicht überwältigen lassen. «Ich habeschon viel mehr erreicht, als ich vorher dachte. Ich will weiter einegute Tour fahren, aber der Kampf um das Weiße Trikot wird gegenAlberto Contador sehr schwer. Der ist super drauf. Auf Spekulationen,ob ich noch mal Chancen auf Gelb habe, lasse ich mich nicht ein»,sagte der mit 43 Sekunden Abstand auf den Dänen Michael Rasmussen aufRang zwei rangierende Gerdemann, der in den kommenden Tagen versuchenwill, «mit den Besten mitzugehen».
Von der Mannschaft erhalte er laut Teamchef Rolf Aldag «die volleUnterstützung, aber bei uns haben auch andere noch Chancen». VomTour-Neuling Marcus Burghardt erwartet Aldag in der letzten Tour-Woche ebenso noch etwas wie in den nächsten Tagen vom Luxemburger KimKirchen, der am Sonntag selbstlos eigene Möglichkeiten opferte, umGerdemann zu helfen. «Das war gigantisch», schwärmte derZweitplatzierte auch am Montag noch.
Der Sinkewitz-Unfall stellte erneut die Sicherheitsfrage beimTour-Gigantismus. «In der freien Natur treffen Millionen Menschen aufden Tour-Zirkus mit Radfahrern. Da kann leider so etwas passieren»,sagte Aldag, der 20 Minuten nach dem Unfall an Sinkewitz' Seite war:«Zuerst wusste er nicht, wer er ist und wo er ist. Sein Zustand hatsich aber erheblich gebessert, auch wenn er sich an den Unfall genaunicht mehr erinnert kann. Seine Mutter ist bei ihm», sagte Aldag.
Sinkewitz hatte nach der Kräfte zehrenden Etappe am Sonntag Zeitsparen wollen und nahm für die Abfahrt zum Team-Hotel durch diedichten Autoschlangen der Fans und Tour-Fahrzeuge das Rad. DasVerkehrs-Chaos in den Alpen wurde ihm und einem LuxemburgerZuschauer, der seinen Weg kreuzte, zum Verhängnis. Ebenfalls mit demRad vor Ort war der neue Teamarzt Helge Riepenhof, der sich schnellum Sinkewitz kümmern konnte.
«Hier hat sich erwiesen, wie wichtig es ist, auf Unfällespezialisierte Ärzte zu haben», sagte Stapleton mit Blick auf diefrüheren Team-Mediziner Lothar Heinrich und Andreas Schmid, die sichmit besonderer Akribie dem Training widmeten und dabei - wieeingestanden - auch vor Doping nicht zurückschreckten.