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Techniker Erdei überrumpelt Schläger Fragomeni

22.11.2009, 10:58

Kiel/dpa. - Nach einer dramatischen Ringschlacht japste Zsolt Erdei nach Luft, torkelte durch das Seilgeviert und ließ sich schließlich demütig auf die Knie fallen.

Der ungarische Profi-Boxer aus dem Hamburger Universum-Stall in Kiel mit einer beeindruckenden Willensleistung erstmals in seiner langen Karriere den Weltmeistertitel im Cruisergewicht (bis 90,718 kg) erobert und damit eine achttägige titellose Zeit beendet. Mit einem knappen, aber verdienten Punktsieg (115:113, 115:113, 114:114) knöpfte er dem Italiener Giacobbe Fragomeni den WM-Gürtel nach WBC-Version ab. «Ich wusste, dass ich es schaffe. Ich hatte aber nicht gedacht, dass es so schwer werden würde», verriet der neue Champion.

Acht Tage zuvor hatte der 35-jährige Erdei seinen WBO-Gürtel im Halbschwergewicht (bis 79,378 kg) nach fast sechsjährigem Besitz abschnallen und an den Interims-Champion und Stallkollegen Jürgen Brähmer weiterreichen müssen. Das war der Preis für den Gewichtsklassen-Wechsel. Eigentlich möchte Erdei wieder zurück ins Halbschwergewicht, aber Promoter Klaus-Peter Kohl hat andere Pläne. «Darüber werden wir in Ruhe reden», sagte der Universum-Chef. Trainer Fritz Sdunek hört das gar nicht gern. Er sieht Erdeis Ausflug zu den schweren Jungs unverändert als Risiko, das einmalig bleiben sollte.

Dem unter der Rubrik Straßenschläger geführten, physisch überlegenen Fragomeni erwehrte sich Erdei, indem er sich zunächst auf die alte Weisheit besann: Angriff ist die beste Verteidigung. In den ersten Runden deckte der technisch weit überlegene Ungar seinen knapp acht Kilo schwereren und kunstvoll tätowierten Rivalen mit einem Feuerwerk an variabelsten Schlägen und Kombinationen ein, dass der sich wohl im falschen Film wähnte und seine Schockstarre erst in der fünfte Runde überwand. Danach setzte der wütende Italiener auf rohe Gewalt und versuchte, den nach Punkten führenden Erdei mit einem Volltreffer auf den Ringboden zu strecken.

Doch der Ungar keilte trotz sichtlich schwindender Kräfte zurück und behauptete sich auf zittrigen Beinen, angetrieben vom Jubel der 4000 Zuschauer in der Sparkassen-Arena und angestachelt von den Motivations-Spritzen seines Trainers Fritz Sdunek («Denk an deinen Sohn.»). «Nach der vierten Runde war der Puszta-Junge aus der Puste», bekannte Erdei. «Ich habe mich gequält. Ich habe gekämpft wie noch nie.»

Erleichtert registrierte Kohl, was bei der Bestandsaufnahme um 2.30 Uhr unterm Strich stand: eine Veranstaltung, drei Weltmeister. Neben Erdei hatten sich aus seinem Stall auch noch Dimitri Sartison und Vitali Tajbert zu Champions gemacht. Der Hamburger Sartison besiegte den Kroaten Stjepan Bozic durch technischen K.o in der sechsten Runde und holte sich den vakanten WBA-Titel im Supermittelgewicht. Damit ist der 29-Jährige jedoch nur eine Art Vizeweltmeister. Denn der wahre Held in diesem Limit ist der Däne Mikkel Kessler, den die WBA zum sogenannten Superchampion, sprich Überchampion, geschlagen hat. Tajbert wurde erster deutscher Weltmeister im Superfedergewicht. Der 27 Jahre alte Stuttgarter setzte sich gegen den Mexikaner Humberto Mauro Gutierrez im Duell um den Interims-Titel des WBC nach Punkten (116:112, 116:112, 116:113) durch. Mit beiden aus Kasachstan stammenden Deutschen glaubt Kohl nun im Poker mit dem ZDF ein besseres Blatt in der Hand zu halten, wenn es um einen neuen Fernsehvertrag - der alte läuft im Sommer 2010 aus - geht.