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Springreiten Springreiten: Ludger Beerbaum jagt jetzt Winklers Rekord

Von Michael Rossmann 25.08.2004, 14:44

Athen/dpa. - Als die Polizei kam, war die Feier noch lange nicht zu Ende. Gegen 4.30 Uhr baten die Ordnungshüter höflich um ein bisschen Ruhe, doch die deutschen Springreiter feierten ihren Olympiasieg fröhlich weiter und luden die Beamten kurzerhand ein.

Selbst Ludger Beerbaum mischte weiter mit, obwohl er am Freitag mit seinem sechsten Gold den Olympia-Rekord des legendären Hans-Günter Winkler knacken könnte. «Erst mal musste gefeiert werden», sagte er nach nur drei Stunden Schlaf mit müden, aber strahlenden Augen: «Vom Trinken übers Tanzen war alles dabei.»

Auf die Springreiter ist Verlass: Sie wissen nicht nur, wie man gewinnt, sondern auch, wie man feiert. Das dritte Team-Gold in Serie und das neunte insgesamt zelebrierten sie im doppelten Sinne feucht- fröhlich. «Die jungen Leute sind um halb sechs noch ins Meer gesprungen», berichtete Bundestrainer Kurt Gravemeier augenzwinkernd. Er selbst lag da schon im Bett, und die «wirklich sehr netten Polizisten» fuhren wieder Streife.

Am Donnerstag gibt es mit Beerbaums 41. Geburtstag den nächsten Anlass für eine Party und am Freitag nach dem Einzelfinale wahrscheinlich noch einen weiteren. «Jeder von uns Vieren könnte da gewinnen», sagte Beerbaum. «Wir haben eine unglaublich starke Mannschaft.» Unerwartet deutlich war die Dominanz von Beerbaum mit Goldfever, Otto Becker (Sendenhorst) mit Cento, Marco Kutscher (Riesenbeck) mit Montender und Christian Ahlmann (Marl) mit Cöster. Mit nur acht Strafpunkten ritt die Equipe «so überlegen, wie ich das noch nie erlebt habe», kommentierte Becker. Erst mit zwölf Zählern Abstand folgten das Silber-Team der USA und Schweden, die spät in der Nacht noch um den zweiten Platz hatten stechen müssen.

Als großer Favorit im Einzel gilt natürlich Beerbaum, der eine ganz besondere Motivation hat: Er kann Hans-Günter Winkler den Titel als erfolgreichster Springreiter abjagen. Ob das ein zusätzliches Ziel ist? «Wenn man es genau nimmt, natürlich», sagte Beerbaum breit grinsend. Weniger amüsiert war der 78-jährige Winkler über die Frage, ob er Beerbaum nun die Daumen drücke. «Aber natürlich tu ich das», entgegnete «HGW» entrüstet. In seiner Bilanz stehen neben fünf Goldmedaillen je einmal Silber und Bronze.

Beerbaum selber muss sich nun zügeln: «Man muss aufpassen, dass man nicht in Emotionen absäuft.» Zumal er bereits bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträger «unglaubliche Gänsehaut-Momente» erlebt hatte: «Das hat alles getoppt, was ich bisher erlebt habe.»

Bei allem Wirbel um seine Person vergas der Vorreiter nicht, seine Kollegen immer wieder zu loben, die schon vor seinem letzten Ritt den Teamsieg perfekt gemacht hatten: «Das ist ein unheimliches gutes Team.» Die große Überraschung lieferte dabei Kutscher, der als Ersatzreiter eine Woche vor Beginn der Spiele vom Ausfall des Weltranglisten-Ersten Marcus Ehning profitierte. Mit Null-Runden legte er in beiden Umläufen die Basis für das Gold. «Das war brillant», lobte Beerbaum, auf dessen Springstall der gebürtige Ostfriese seit fünf Jahren angestellt ist.

«Das war natürlich unglaublich», schwärmte Kutscher, «so etwas habe ich noch nicht erlebt.» Der 29-Jährige war am frühen Morgen neben Ahlmann der letzte, der für kurze Zeit ins Bett fand. Kutscher war aber klar genug, um später die Fragen nach den verlorenen Medaillen der Vielseitigkeitsreiter eindeutig zu beantworten: «Wir haben viel darüber geredet und waren sehr traurig. Aber von Rache für sie zu sprechen, ist absoluter Quatsch.»