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Schwimmen-WM Schwimmen-WM: Antje Buschschulte im süßen Tal der Tränen

Von Dietmar Fuchs und Richard Janssen 23.07.2003, 15:11

Barcelona/dpa. - Antje Buschschulte drohte in Freudentränen zu ertrinken. Lange lag sie sich mit Bernd Henneberg in den Armen, ehe der Schwimmerin auffiel, dass auch ihr Trainer nicht mehr an sich halten konnte. «Herr Henneberg, Sie heulen ja. Ich hab' Sie ja noch nie heulen sehen.» Und dann rollten bei beiden die Tränen, wie schon zuvor bei Antje Buschschulte allein, als die 24-Jährige auf dem Siegerpodium des Palau Sant Jordi von Barcelona für den größten Triumph ihrer wechselvollen Karriere mit Gold, Flagge und Nationalhymne geehrt wurde: Endlich Weltmeisterin, endlich ganz oben.

Da zuckte sie mit den Schultern, da verzog sich ihr Gesicht, ehe die Gefühle freien Lauf bekamen. «Das war Wahnsinn.» Geschehen war für Antje Buschschulte eigentlich etwas Erwartetes: Die Wahl- Magdeburgerin war ihrer Favoritenrolle gerecht geworden, hatte WM- Gold über 100 m Rücken gewonnen, den 19 Jahre alten deutschen Rekord gelöscht. Doch ihre 37. internationale Medaille wird die Studentin der Neuro-Biologie immer ganz besonders in Ehren halten, weil sie in 1:00,50 Minuten aus dem Schatten der ganz Großen trat.

«Man träumt von solchen Momenten ja lange. Es ist mir schwer gefallen, da oben nicht richtig loszuheulen», schilderte eine wieder gefasste Antje Buschschulte später ihr Innenleben. Nervös war sie ob ihrer Favoritenrolle als Halbfinal-Schnellste, «ich hatte Angst, beim Start vom Block abzurutschen». Doch es geschah nichts Schlimmes, obwohl nach 50 Metern eine Andere vorn lag. Antje Buschschulte wusste um ihre Stärke, «ich wusste, wie fit ich bin».

Das war ihr nicht immer bewusst. Und in der Ungewissheit suchte sie lange nach dem richtigen Weg, der sie über Halle an der Saale und Wuppertal erst vor einem halben Jahr zu ihrem väterlichen Mentor Henneberg nach Magdeburg zurückführte: «Er weiß, was er mit mir machen muss, er weiß, wie er mich zu nehmen hat.» Gewachsen sei sie, bewusster geworden, nennt Henneberg Eigenschaften, die vielleicht er frei gelegt hat. «Ich weiß es auch nicht so genau», ergänzt die Weltmeisterin. «Ehrgeizig war ich ja schon immer, aber bei Herrn Henneberg bin ich noch härter mit mir selbst geworden.»

Offenbar braucht Antje Buschschulte viel Druck, um ihr Potenzial im Schwimmbecken frei legen zu können. Dass sie es immer drauf hat, hat sie oft genug bewiesen, aber eben nicht mit dem richtigen und dauerhaften Knalleffekt. «Es lief nicht, sie hatte eine Durststrecke», blickte Henneberg zurück. Auch auf 1992, als Dagmar Hase nebenan Olympiasiegerin wurde: «Da ist mir das zum letzten Mal passiert», sagte der Trainer und schämte sich seiner Tränen nicht. «Heulen Sie ruhig», forderte Antje Buschschulte ihn auf.

An die Zukunft mochte die Weltmeisterin nicht denken, sie wollte nur den Moment genießen. «Ich bin überwältigt, überglücklich.» Einen kleinen Blick voraus gestattete sie sich allerdings doch: «Ich könnte gar nicht Bernd zu ihm sagen. Er wird immer Herr Henneberg für mich sein. Und wenn er mir nach meiner Karriere das Du anbietet, werde ich mit mir kämpfen müssen.» Herr Henneberg und Frau Buschschulte werden sich noch lange siezen.