Schloss Leitzkau Schloss Leitzkau: Mummenschanz und Arithmetik
Leitzkau/MZ. - Nach Maß, Zahl und Gewicht habe Gott, so heißt es im Buch der Weisheit, alles geordnet. Nach Pythagoras gehen alle Dinge aus der Zahl hervor. So zählte auch die Musik lange zu den mathematischen Künsten, bis der regelrecht, nach Grundrissen komponierte Satz trotz größtmöglicher Harmonie als langweilig empfunden wurde. Der Rhetorik entlehnte Dissonanzen hielten als "Figuren" Einzug, belebten allzu regelrechte Kompositionen.
Vordergründig um Proportionen bemüht sich die Ausstellung von Roswitha Schmuhl auf Schloß Hobeck in Leitzkau. Die Paramentikerin, Kirchenmusikerin und Malerin reiht in ihrer Schau kaum ein Bild neben eine Unzahl von Diagrammen und Schemen, verbindet einen musiktheoretischen Schnupperkurs mit einer bildnerischen Proportionslehre zwischen Schematismus und Geheimlehre.
Eines der Schemen beschäftigt sich mit der Harmonie von Bildmaßen. Dabei wird das Verhältnis der Seitenlängen eines Bildes in Proportion zum Schwingungsverhältnis zweier Töne gesetzt. Bekanntlich verdoppelt sich die Frequenz einer etwa auf C gestimmten Seite, so sie halbiert wird. Es erklingt die nächst höhere Oktave. Dem Schlüsselloch C als Prime (1:1) ordnet die Kirchenmusikerin die Form des Quadrates zu, während ein Hochformat, dessen Seitenlängen die Proportion 1:2 aufweisen, der Oktave und somit dem zweigestrichenen C entsprechen. Demnach ist ein Bild von 16 mal 20 cm wohlklingend, weil es dem Schwingungsverhältnis der großen Terz (4:5) entspricht. Ein Bild von 16 mal 18 cm mit dem Reibungscharakter der großen Sekunde müsste dagegen Dissonanz erzeugen. Die wesentlich komplizierteren Schwingungsverhältnisse der temperierten Stimmung bleiben hier natürlich unberücksichtigt.
Auf einem anderen Schema werden, was nicht neu ist, den Tönen einer Oktave die Farben des Farbkreises zugeordnet. Der Toncharakter kann beschrieben werden durch das lineare Moment der Tonhöhe oder durch das zyklische Moment der Oktavgleichheit, welches auch als Tonigkeit bezeichnet wird. Die angewandte Kunst der Roswitha Schmuhl visualisiert dann auch "Alle meine Entchen" in Farbkästchen oder transponiert mit den Tonarten die Farbfelder des Liedchens: "In einem kleinen Apfel". Ein vierstimmiger Satz würde so wohl zu einem grellbunten Flickenteppich jenseits der Harmonie. Eigentlich ist die Zusammenschau von Tönen und Farben ein spannendes Kapitel, was klein gerastert allerdings zur Farce wird.
Gänzlich kurios ist dann die Wandlung von innerbildlichen Proportionen in Tonwerte. Dabei wird dem Bild ein Koordinatensystem angepasst, das vertikal und horizontal in jeweils zwei Oktaven, beginnend mit C, eingeteilt ist. Mar kante Bildpunkte erhalten eine Hilfslinie, welcher auf der Skala eine Note zugeordnet wird. Dieses Spiel führt Schmuhl akribisch an vier eigenen Bildern aus, die auch durch die Zuordnung nicht klingen, sondern höchstens bescheiden zu flöten beginnen. Vielleicht schwirrt irgendwo im Hinterkopf der Kontrapunkt, mit seiner horizontal melodischen und vertikal harmonischen Dimension. Wahrscheinlich aber geht es nur um den Tönen zugeordnete Charaktere. Auf dem Bild "Terrasse" erscheinen schon die Hilfslinien zwischen Steinen und Gesträuch nicht eben zwingend. Gleichermaßen beeindruckend orakelt neben anderen Schemen auch eine Tabelle, die nach den Maßen fragt, welche den Pinsel zum schwingend klingenden Zauberstab machen. Und wer kritisch fragt, erntet einen bohrend verächtlichen Blick.
Derartige Theorien bergen oft ungewohnte Fragen, wo diese allerdings parallelisiert werden, beginnt meist das große Gähnen. So kann man auch unbestreitbar Bachs Musik nach ihrer symbolischen und rechnerischen Proportionalität befragen. Aber in die teilweise kuriosen Rechnungen sollte man die Empfehlung der "Mizlerschen Societät" von 1754 einbeziehen, wonach Kirchenmusik im Winter 50 Takte also 8 bis 10 Minuten kürzer sein sollte als im Sommer. Vor allem aber wird Kunst immer da lebendig, wo sie Autonomie gewinnt.