RTL RTL: «Die Welt der Diplomaten - Eine Gesellschaft für sich»
Köln. - Über kaum eine andere Berufsgruppe gibt es eine breitere und buntere Palette an Klischees und abenteuerlichen Vorstellungen: Diplomaten - das sind unnahbare Exzellenzen, Geheimniskrämer, ausgebuffte und verschlagene Verhandlungsführer. Die Welt der Diplomaten ist für die meisten Menschen eine Gesellschaft für sich. Denn die Realität sieht ganz anders aus. Die Empfänge und Feiern sind die Arbeitsplattform der Diplomaten. Hier knüpfen sie ihre Kontakte, pflegen Verbindungen und kommen dabei an Hintergrundinformationen, die für ihre Arbeit unverzichtbar sind. Dabei geht es nicht um die Geheimdiplomaten vergangener Tage, sondern vielmehr darum, den Menschen in der Heimat nahe zu bringen, warum bestimmte Entscheidungen in Deutschland so und nicht anders getroffen wurden. Bei jedem Schritt, bei jeder Geste, und vor allem bei jedem Wort wissen Diplomaten immer um die Verantwortung, die sie als Repräsentant eines ganzen Landes auf ihren Schultern tragen.
Dr. Thomas Borer-Fielding, abberufener Botschafter der Schweiz, hat dies aktuell schmerzlich zu spüren bekommen. Der neuerliche Skandal um seine Person - diesmal ausgehend von dem nächtlichen Besuch eines Nacktmodels in der Botschaft - brachte ihn zu Fall. Noch im Oster-Urlaub wurde er von der Lawine überrollt und verlor seinen Posten als Schweizer Botschafter in Berlin. Für die diplomatische und politische Gemeinde ist es ein schmerzlicher Verlust. Denn Borer und seine Frau Shawne galten nicht nur als glitzerndes Promi-Pärchen, sondern auch als die Vorreiter der public diplomacy. Bei der "Öffentlichen Diplomatie" geht es vor allem darum, durch gezielte PR-Aktionen am Image seines Landes zu arbeiten. Und selbst die Kritiker der Borers müssen zähneknirschend zugeben, dass sich das Bild der Schweiz in Deutschland seit dessen Amtsantritt 1999 stark verbessert hat.
Der Wandel der Diplomatie hat sich aber schon vor dem Auftritt Borers auf der politischen Bühne angekündigt. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Erfolgszug des Internet sind die Beziehungen zwischen den Regierungen so eng geworden, dass der Botschafter als Berichterstatter in der Fremde in größeren Industrienationen ausgedient hat. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer wies seine Diplomaten bereits an, dass sie in Zukunft verstärkt als PR-Agenten Deutschlands auftreten sollen.
Für alte Diplomaten wie den britischen Botschafter in Berlin Sir Paul Lever bedeutete dieser Wandel nicht nur eine neue Herausforderung, sondern eine Umorientierung. Kaum ein anderen hat diese aber so konsequent durchgezogen wie der sympathische Brite. Sein Auftreten und die neue Botschaft haben mit der typischen, britischen Steife und Zurückhaltung nichts mehr gemein. Für den Filmfan haben die medienwirksamen Veranstaltungen anstatt der diplomatischen Insidertreffen früherer Tage aber auch einen Vorteil: Eine Ehrengala wie die für Rosamunde Pilcher im März 2002 wäre früher undenkbar gewesen.
Nicht alle Botschafter haben aber von dem Wandel der Diplomatie einen Vorteil gehabt. Die Arbeit für den ecuadorianischen Botschafter Dr. Werner Moeller-Freile ist wesentlich schwieriger geworden. Der Ur-Enkel eines deutschen Konsuls kämpft verzweifelt um Aufmerksamkeit und Investoren für sein kleines Land. Deshalb nimmt Moeller-Freile jede Einladung an und jede Gelegenheit wahr, um einen Empfang auszurichten. Das brachte ihm zwar den Ruf eines Partylöwen ein - seinem Land aber dafür ein wenig mehr Aufmerksamkeit.
Sein ungarischer Kollege Gergely Pröhle wiederum hat zwar nur eine einzige, dafür aber sehr arbeitsintensive Aufgabe. Seine Mission ist es, den EU-Beitritt Ungarns in Deutschland zu sichern. Die Ungarn sind überzeugt: Schaffen sie es hier, schaffen sie es auch in Brüssel. Für diese wichtige Aufgabe haben sie ihren "Shooting Star" nach Berlin geschickt. Pröhle gilt als ein Arbeitstier, als äußerst begabt und nebenbei ist er der jüngste und musikalischste Botschafter in Berlin.