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Psychologie Psychologie: Ist Killen am PC ein harmloser Kinderspaß?

15.03.2006, 07:11
Ein Teenager spielt in Berlin bei den Deutschen Gaming Meisterschaften das umstrittene Computer-Spiel «Counter-Strike» (Foto: dpa)
Ein Teenager spielt in Berlin bei den Deutschen Gaming Meisterschaften das umstrittene Computer-Spiel «Counter-Strike» (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hamburg/dpa. - Die Gegner eines Verbots, darunter vor allem Medienwissenschaftlerund die Computer-Lobby, führen ins Feld, es sei wissenschaftlichnicht nachweisbar, dass Kinder und Jugendliche mit solchenKillerspielen reale Gewalt übten. «Was wir aber wissen, ist, dass dasSpielen solcher Spiele zur Abstumpfung gegenüber realer Gewalt in der mitmenschlichen Umgebung führt und dass die eigene Gewaltbereitschaftzunimmt», sagt hingegen der Hirnforscher Manfred Spitzer in einemInterview der Zeitschrift «Psychologie heute» (Weinheim, Januar-Ausgabe).

Es werde zwar häufig argumentiert, dass Computerspielen undFernsehen im Kindesalter den geistigen Fähigkeiten und Fertigkeitenförderlich seien, wie etwa der Schnelligkeit des Denkens oderReagierens. Dazu gebe es aber nur eine einzige Untersuchung, sagteSpitzer, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm undAutor des Buchs «Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien,Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft» (Ernst Klett Verlag).

In dieser Untersuchung wurde herausgefunden, dass KinderEinzelheiten auf dem Bildschirm schneller erkennen können, wenn sieviele «Ballerspiele» spielen. Damit werde aber auch beschrieben, dasseine Aufmerksamkeitsstörung antrainiert wird, sagte Spitzer mitHinweis auf die vielen sonstigen visuellen Reize.

Auf jeden Fall üben Gewaltspiele eine für Erwachsene häufig kaumnachvollziehbare Faszination auf Kinder und Jugendliche aus. «Sogenannte Ego-Shooter sind unter anderem deshalb so beliebt, weil sievon allen Computerspielen das banalste Spielprinzip innehaben. VieleKinder und Jugendliche, die den ganzen Tag mit solchen Spielenverbringen, kennen gar keine anderen Computerspiele oder haben wederdie Geduld noch die Fähigkeit, einem komplexen Spielprinzip zufolgen», sagte der Leiter eines Büros für Kindermedien in Berlin,Thomas Feibel, in einer früheren Ausgabe von «Psychologie heute».Der Autor des Buchs «Killerspiele im Kinderzimmer» (Walter Verlag),ist der Meinung: «Es gibt jede Menge brutaler und zynischerComputerspiele, die absolut nichts in den Händen von Kindern undJugendlichen zu suchen haben. Da helfen nur harsche Verbote.»

Die Motivationspsychologen Rita Steckel und Clemens Trudewind vonder Universität Bochum zogen aus einer Studie mit 280 Schulkinderndie praktische Konsequenz, Eltern sollten «mit den Kindern über dieSpiele reden und Werte bezüglich Gewalt vermitteln, die siegegebenenfalls auch mit Verboten durchsetzen sollten».

Feibel unterscheidet zwischen konstruktiven und negativen Spielen.In einem konstruktiven wird zum Beispiel ein Staat errichtet, derdann gegen Barbaren, die alles an sich reißen wollen, verteidigtwerden muss. «Ego-Shooter sind immer destruktiv, selbst wenn ihnenwie bei "Counter-Strike" ein hoher taktischer Bezug bescheinigtwird», sagte Feibel.

Ein Computer im Kinderzimmer kann nach dem Urteil von Expertenauch die Leistungen in der Schule beeinflussen. Das kriminologischeForschungsinstitut in Hannover hat bei einer Repräsentativbefragungvon 6000 Viertklässlern und 17 000 Schülern neunter Klassenfestgestellt, dass der Besitz eines PC im eigenen Zimmer bei denJungen die tägliche Spielzeit je nach Alter und Schultyp um 40 bis 90Minuten erhöht. Das beeinflusst nach dem Befund von Neurologenebenfalls die schulische Leistungsfähigkeit, weil dieKonzentrationsfähigkeit leidet und das im Kurzzeitgedächtnis flüchtiggespeicherte Schulwissen teilweise durch die emotional hoch besetztenBilder der Gewalt verdrängt wird.

Dass Mädchen pro Tag fast 90 Minuten weniger am Computer spielenund außerdem die brutalen Spiele meiden, scheint für ChristianPfeiffer, den Direktor des Instituts in Hannover, auch ein Grund fürihren in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gewachsenenLeistungsvorsprung gegenüber den Jungen zu sein.

Der Magdeburger Informatik-Professor Maic Masuch gab zum Thema«Killer-Spiele» im Deutschlandradio Kultur zu bedenken, die Debattegehe an der Wirklichkeit vorbei. Seiner Meinung nach werdenComputerspiele zu einem ganz natürlichen Bestandteil der Kultur. «Daswird ähnlich sein wie im Film: Wenn wir uns heute Stummfilme ansehen,schmunzeln wir über die Bildsprache und darüber, dass die Leute ausdem Kino gerannt sind, als der erste Zug auf sie zu kam», sagteMasuch. An der Universität Ilmenau wurde bereits die erste Professurfür Computerspiele ausgeschrieben.