Polen Polen: Kicker-Party an der Oder
Halle (Saale)/MZ. - Die tollste Stadt in Polen? Krakow, Gdansk oder Warschau haben viele da bisher genannt. Breslau, auf Polnisch Wroclaw, hatte lange keiner so wirklich auf der Liste. Das ändert sich jetzt. Breslau, die Europäische Kulturhauptstadt 2016, ist auf der Überholspur. Die Stadt an der Oder ist ein Ziel für Touristen, die Cafés, Museen, Kunst, Kultur und eine schöne Altstadt schätzen.
Mit rund 640 000 Einwohnern hat Breslau ungefähr so viele wie vor dem Zweiten Weltkrieg, als es noch zu Deutschland gehörte. Das Stadtzentrum war am Kriegsende weitgehend zerstört - doch daran erinnert heute so gut wie nichts mehr. Breslau ist lebendiger und farbenfroher als je zuvor.
Breslau nennt sich heute "miasto spotkan". Das heißt so viel wie "die Stadt, in der man sich trifft". Der beste Treffpunkt ist der Rynek, der Platz rund ums mittelalterliche Rathaus mitten in der Altstadt. Auch ohne Fußballfans ist dort immer etwas los. An der einen Ecke spielt ein Gitarrist, vor dem Rathaus tanzt ein Feuerschlucker. Rund um den Rynek gibt es die Pierogarnia - wo leckere Pirogi serviert werden - und die Bierhalle, die praktischerweise gleich auf Deutsch so heißt. Deutsche sind traditionell die größte Gruppe ausländischer Gäste.
Zu den gastronomischen Betrieben mit der längsten Tradition gehört der Schweidnitzer Keller in den Gewölben des Rathauses: Schon 1273 hatte der Stadtrat das Monopol für den Ausschank von Bier, das nicht aus Breslau selbst stammte. Heute probieren Besucher dort polnische Spezialitäten wie Bigos, dazu dunkles, tschechisches Bier und zum Abschluss gerne einen Wodka. Sie sitzen behaglich zusammen, wo früher schon Goethe, Chopin oder Gerhart Hauptmann gesessen haben - der Literaturnobelpreisträger ist in Breslau zur Schule gegangen.
Direkt am Rynek arbeiten Pawel Margol und Wojciech Zalewski von der Stadtverwaltung im Euro-2012-Büro. Die beiden haben die Fanmeile direkt vor der Haustür. Denn Breslau hat seine Public-Viewing-Bereiche in bester Lage: Ein Teil der Fanmeile vom 8. Juni bis 1. Juli ist auf dem Rynek selbst, ein anderer auf dem benachbarten Plac Solny, dem Salzmarkt. Bis zu 25 000 Menschen sollen dort auf Großbildleinwänden Eckstöße und Torschüsse verfolgen.
Weitere Public-Viewing-Areas wird es auf den Oder-Inseln Wyspa Slodowa (Vordere Bleiche) und der Wyspa Piaskowa (Sandinsel) geben. Für die Zeit der EM erwartet die Stadt bis zu 500 000 Gäste. "Vor allem aus Tschechien werden viele Fans kommen", sagt Wojciech Zalewski. "Die tschechische Mannschaft hat in Wroclaw ihre Basis und wohnt im 'Hotel Monopol'. Und Tschechien hat alle drei Vorrundenspiele bei uns." Das neue Stadion, in dem die Spiele angepfiffen werden. hat im September eröffnet und bietet Platz für gut 42 000 Zuschauer. Die Außenhaut aus teflonbeschichteter Glasfaser soll während der EM bunt leuchten und Betrachter an einen Lampion denken lassen.
Bunt ist es aber auch innerhalb des fast 40 Meter hohen, sechsgeschossigen Stadions: Sämtliche Stühle sind poppig-grün - angelehnt an die Vereinsfarben des Breslauer Clubs. Und von oben kommt Sonnenlicht. Das Stadiondach ist nicht komplett geschlossen, der Himmel über Breslau also immer zu sehen. "Für Busse, Bahn und Tram gibt es am Stadion eine Haltestelle", sagt Pawel Margol. "Bis in die Innenstadt sind es 15 Minuten."
Eine neue Umgehungsstraße leitet den Verkehr am Zentrum vorbei direkt am Stadion entlang. Nach den Spielen, wenn Tausende von Fans aus dem Stadion strömen, wird es sicher etwas länger dauern auf dem Weg zurück ins Zentrum. Aber das dürfte nicht schlimm sein. Zu spät kommen geht gar nicht, auf dem Rynek ist schließlich immer etwas los.
EM-Spiele in Breslau: 9. Juni Russland-Tschechien; 12. Juni Griechenland-Tschechien; 16. Juni Tschechien-Polen