Point Alpha in der Rhön: Heißester Ort im Kalten Krieg
Rasdorf/dpa. - In der Kuppenrhön geht es sehr beschaulich zu. Doch viele Jahre lang trog der Schein. Am Point Alpha, mitten in den Hügeln der Rhön, standen sich während des Kalten Krieges amerikanische Truppen und DDR-Grenzpolizisten gegenüber.
Am «Fulda Gap», der Lücke bei Fulda, sicherten Amerikaner die Grenze, die DDR-Grenzpolizei bewachte sie auf östlicher Seite. Heute können sich Besucher in der Gedenkstätte Point Alpha über diese Zeit informieren.
Im Osten liegt das verschlafene Geisa, im Westen Rasdorf, in dem es ebenfalls geruhsam zugeht. Rund 50 Kilometer sind es nach Eisenach, 30 nach Fulda - auf der Landstraße vorbei an Feldern, Wiesen und Wäldern. Im Kalten Krieg hatte die US-Army mehr als 5000 Soldaten in der Region. Die westlichen Kriegsszenarien gingen davon aus, dass sich Truppen des Warschauer Paktes diese Senke zwischen Rhön und Vogelsberg für einen Angriff aussuchen würden. Die Soldaten hießen Taylor oder Smith und kamen aus allen Winkeln der Vereinigten Staaten. Sie lebten in Baracken, durch die im Winter der eisige Wind zog und in die in den heißen Sommern kein Lüftchen drang.
Taylor, Smith und ihre Kameraden hatten einen der gefährlichsten Jobs, die in Zeiten des Kalten Krieges zu vergeben waren - am «heißesten Punkt im Kalten Krieg», wie Sir Peter Ustinov den Streifen einst nannte. Doch die US-Soldaten, die an der Grenze standen oder in «Fuchslöchern» unter der Erde hinüberspähten, hatten nicht nur den Feind im Blick: Sie sahen auch die verzweifelten Menschen, die nicht anderes wollten als über die Grenze, zu Verwandten und Freunden.
Einer von ihnen war Berthold Dücker, der sich einst als 16-Jähriger aufmachte zu dieser Grenze. Er wollte in den Westen, niemand wusste von seinem Vorhaben. Er zerschnitt die erste Reihe des Stacheldrahtzauns mit einer einfachen Zange. Dann robbte er durch das Minenfeld zur zweiten Reihe. Die trennte er ebenfalls auf.
Dücker war im Niemandsland angekommen - zwischen den Grenzsicherungsanlagen und der «Staatsgrenze West der DDR». Er rannte, strauchelte und stolperte, verlor einen Schuh und seine Brille. Er übersprang einen letzten Weidezaun - und war in Rasdorf. Seine Geschichte erzählte Dücker 2005 am Ort seiner Flucht - Point Alpha. Neben ihm saßen Helmut Kohl, George Bush senior und Michail Gorbatschow. Ihnen wurde an jenem 17. Juni 2005 für ihre Verdienste um die Deutsche Einheit der erste Point-Alpha-Preis verliehen.
Genau so, wie Dücker von seiner Geschichte erzählte, funktioniert auch die Gedenkstätte am Point Alpha, die man sein Lebenswerk nennen kann. Der Beschluss war schon gefasst, den Posten dem Erdboden gleich zu machen. Aber Dücker kämpfte so lange, bis das Gelände unter Denkmalschutz gestellt wurde. Nach und nach wurden das amerikanische Camp und die Beobachtungsposten wieder hergerichtet und das himmelblaue Ausstellungshaus auf der Grenze gebaut.
Der Trägerverein trieb Gelder ein, organisierte Ausstellungen und Veranstaltungen. Schulklassen kamen auf die Kuppe, Alte und Junge schauten sich den ehemaligen Grenzstreifen an, der kaum noch erkennbar ist. Inzwischen ist das Grenzmuseum Rhön modernisiert und Point Alpha eine Stiftung. Die Soldaten Taylor und Smith sind hier noch sehr lebendig: Sie führen die Besucher - über einen Knopf im Ohr - durch ihre Baracken, die so zurückgebaut wurden, als hätten die Amerikaner sie gerade erst verlassen. Sie erzählen vom Leben zwischen Grenze und Wachtürmen und beschreiben, wie es war mitten im Kalten Krieg mitten in der Rhön.
Informationen: Gedenkstätte Point Alpha, Platz der Deutschen Einheit 1, 36419 Geisa; Telefon: 06651/91 90 30.
Website der Gedenkstätte und der Stiftung: www.pointalpha.com