Phänomen Phänomen: Mehmet Scholls Wandlung zum WM-Kandidaten
München/dpa. - Selbsthält sich Scholl mit Ansprüchen zurück, doch an Fürsprechern mangeltes nicht. Bayern-Manager Uli Hoeneß sieht ihn im «98. Frühling», undVereinstrainer Felix Magath würde sich als Nationalcoach nach ihm«die Finger lecken».
Schon im Frühjahr, als Mehmet Scholl sein Können in der Rückrundeimmer häufiger wieder aufblitzen ließ, deutete Bundestrainer JürgenKlinsmann an, dass der unkonventionelle Star nicht in Vergessenheitgeraten ist. Scholls glänzende Kurz-Auftritte zum Saisonbeginn inDFB-Pokal und Bundesliga mit drei Toren dürften diese Einschätzungnicht geändert haben. Ein baldiges Comeback im DFB-Dress nach mehrals dreieinhalb Jahren wird es aber dennoch kaum geben. Zuletzt hatteScholl im Februar 2002 beim 7:1 gegen Israel das Nationaltrikotgetragen, anschließend aber überraschend auf die WM in Japan undSüdkorea verzichtet, um seinen Körper regenerieren zu können.
Klinsmann-Assistent Joachim Löw sagte zwar: «Wir wissen um Scholls Qualitäten». Aber für die Länderspiele in der Slowakei am Samstag undgegen Südafrika am kommenden Mittwoch in Bremen war eine BerufungScholls ebenso wenig ein Thema wie für den Fitnesstest mit demerweitertem Kader im Oktober. «Alle 20 Feldspieler müssen in der Lagesein, alle paar Tage ein Spiel über 90 Minuten zu bestreiten»,beschrieb Löw die Anforderung an die WM-Teilnehmer.
Und genau da liegt Scholls Problem. Auch beim FC Bayern sind fürden vom extrovertierten Teenie-Idol zum schweigsamen Kult-Kickergewandelten Profi nur Kurzeinsätze drin. «Ich muss achtsam mit meinemKörper umgehen. Ich weiß, was ich ihm zutrauen kann», sagte der wegenunzähligen Muskelproblemen immer wieder auf Eis gelegte Scholl.Zuletzt hatte ihn im Juli ein Faserriss in der Wade wichtige Wochenin der Vorbereitung gekostet. «Ich sehe ihn im Moment in der Rolledes Edeljokers, mehr geht sicher nicht», sagte Magath.
Und dennoch ist ein Comeback Scholls bei der WM nicht ganzausgeschlossen. Sollte kurz vor dem Turnier ein personeller Engpassim Mittelfeld entstehen, würde Klinsmann sicher an seinen altenWeggefährten vom Europameisterschaftssieg 1996 in England denken. Fürden bislang 36-fachen Nationalspieler würde sich somit auch ein Traumerfüllen, denn eine WM-Teilnahme blieb ihm in seiner an Vereinstitelnso reichen Karriere bislang verwehrt.
Aus der Münchner Fußball-Glitzerwelt abseits des Platzes hält sichScholl seit einigen Jahren bewusst heraus, an ein Ende der Laufbahndenkt er vorerst aber noch nicht. «Es sind einfach diese Erlebnissewie heute, die mich daran hindern hinzuwerfen und mich dazu bringen,immer wieder weiterzumachen. Solange dieses Erlebnis immer wiederkommt, sehe ich keinen Grund aufzuhören», sagte er nach seinem Zehn-Minuten-Einsatz gegen Hertha BSC (3:0) am Wochenende. Auch die Fanshaben von «Scholli» noch längst nicht genug: Bei dessen Einwechslungund nach seinem Kopfballtor feierten sie ihn mit frenetischenSprechchören.