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Pferdesport Pferdesport: Springen: Gravemeier endgültig aus dem Schatten von Goldschmied Meyer getreten

Von Michael Rossmann 27.08.2004, 15:00

Athen/dpa. - Der Schatten ist lang, doch spätestens amvergangenen Dienstag ist Kurt Gravemeier herausgesprungen. AlsNachfolger von Herbert Meyer übernahm der Bundestrainer derSpringreiter nach den Spielen von Sydney ein Erfolg versprechendes,aber schwieriges Amt. Meyer hatte sich als Nationalcoach mitMedaillen in Serie den Ruf als «Goldschmied» erworben. «Das war einsehr, sehr schweres Erbe», sagt Ludger Beerbaum.

«Anfangs war das nicht einfach», gibt Gravemeier zu. Zumal schonnach der ersten Großveranstaltung leise Kritik aufkam. So hoch sindhier zu Lande die Ansprüche, dass Platz drei für das favorisiertedeutsche Team bei der EM in Arnheim manchem als zu wenig erschien.Als die deutschen Springreiter dann bei der WM 2002 in Jerez de laFrontera sogar ganz leer ausgingen, wurde die Kritik lauter. «Das warvöllig ungerecht», sagt Otto Becker, der unter beiden TrainernOlympia-Gold gewonnen hat. «Wir alle haben damals Fehler gemacht.»

«Das ist allerspätestens jetzt vergessen», meint Beerbaum.Zunächst gewannen Gravemeiers Reiter bei der EM vor einem Jahr denTeam-Titel und belegten im Einzel die Plätze eins bis drei, dannholten sie am Dienstag in Athen Mannschafts-Gold. «Der Vergleich mitHerbert Meyer war sicher ein Problem», sagt Beerbaum. «Und dannmussten wir uns neu zusammen finden, alle haben versucht, sich neu zupositionieren.» Das gilt auch für den unumstrittenen Star der Szene,den Anführer der deutschen Springreiter.

Gravemeier versuchte es im Gegensatz zu seinem Vorgänger, bei demer eine Ausbildung zum Pferdewirt gemacht hatte, mit wenigerautoritärem Auftreten und mit mehr Mitbestimmung. Kein Wunder, dennder inzwischen 46-jährige Gravemeier stammt aus einer anderenGeneration. Mit Beerbaum und Otto Becker hat er sogar nochzusammengeritten. Zu Gravemeiers größten Erfolgen zählt der Sieg beimGroßen Preis der Bundesrepublik Deutschland 1992 in Dortmund, ehe erdrei Jahre später aus gesundheitlichen Gründen seine sportlicheKarriere beenden musste.

Als Bundestrainer wollte Gravemeier möglichst viele Reitereinbeziehen. «Am Anfang war das fast zu viel», meint Beerbaum: «AlsBundestrainer kann man nicht Jedermanns Liebling sein.» Das Gerangelum Startplätze bei den Topturnieren und Nominierungen fürNationenpreise ist angesichts der Leistungsdichte in der Pferdesport-Nation Deutschland so groß wie nirgends. In der aktuellenWeltrangliste stehen sechs deutsche Springreiter unter den Top-Ten,und die Gold-Gewinner Marco Kutscher (Riesenbeck) und ChristianAhlmann (Marl) sind da noch nicht einmal dabei.

Aber auch die erfahrenen Topreiter wie Beerbaum, Becker oderNieberg mussten lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Denharschen Ton und die harten Urteile von Meyer gewohnt, ergab sich fürsie eine neue Situation. «Ich bin sicher ein ganz anderer Typ», sagtGravemeier, der seit 1988 hauptamtlich als Gestütsleiter bei HendrikSnoek auf Gut Berl in der Nähe von Münster arbeitet.

Völlig ohne Kritik kann Gravemeier allerdings auch jetzt nichtleben. Nicht alle Reiter haben Verständnis dafür, dass derNationaltrainer mit Pia-Luise Aufrecht (Affalterbach) oder MarioStevens (Molbergen) nebenbei Nachwuchsreiter aus vermögenden Häuserntrainiert. «Wir müssen den Stall auch finanzieren», sagt Gravemeier.