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Per Boot über die Anden Per Boot über die Anden: Eine Schifffahrt von Chile nach Argentinien

Von Christina Otten 06.02.2004, 10:15
Die Landschaft um den «Lago Frias» mit ihren Schnee bedeckten Bergen ähnelt den Alpen - die Überfahrt bis Puerto Alegre dauert nur 20 Minuten. (Foto: dpa).
Die Landschaft um den «Lago Frias» mit ihren Schnee bedeckten Bergen ähnelt den Alpen - die Überfahrt bis Puerto Alegre dauert nur 20 Minuten. (Foto: dpa). Argentinisches Staatssekretariat

Puerto Montt/dpa. - Er ist Teil einereinzigartigen Passage, in der die längste Gebirgskette der Welt vonWesten nach Osten mit einer Bootsfahrt über drei Seen überquert wird.

Ausgangspunkt der zweitägigen Reise ist die chilenische Hafenstadt Puerto Montt. Sie befindet sich rund 1000 Kilometer südlich von derHauptstadt Santiago und gilt als «Tor zu Patagonien». Heute lebendort 110 000 Einwohner. In der Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sichin dieser Region Chiles Hunderte deutscher Einwandererfamiliennieder. Der deutsche Einfluss ist der Umgebung bis heute anzusehen.Holzhäuser im Schwarzwaldstil sind dort genauso typisch wie der«Clube Alemán» und die perfekt geschnittene Rhododendronhecke.

Von Puerto Montt aus geht es zunächst mit dem Bus entlang des SeesLlanquihue, der fast ein Drittel größer ist als der Bodensee. An ihmliegt auch der Vulkan Osorno, der mit seinem 2660 Meter hohenSchneegipfel über der Landschaft thront. Ein kleiner Abstecher führtin den Ort Frutillar, in dem es ein deutsches Immigrantenmuseum gibt.

Die deutsche Sprache beherrschen jedoch nur noch wenige Bewohner.Wahrscheinlicher ist es, Zeuge einer spontanen «Cueca»-Aufführung aufdem Marktplatz zu werden. In traditionellen Ponchos, Stiefeln oderRüschenkleidchen tanzen schon die Kleinsten den chilenischenNationaltanz. Wichtigstes Utensil ist dabei das weiße Taschentuch,mit dem die Tänzer zu der Musik winken. Auf der Straße geht es dannweiter bis nach Petrohué, der Anlegestation für die erste See-Etappe.

Die Motoren der «Condor» brummen, Reiseführer Marcelo Uribeerklärt den Passagieren die Geschichte der «See-Anden-Überquerung».«Ursprünglich sollte der Weg als Handelsroute genutzt und ausgebautwerden», sagt der 30-Jährige. «Die Betreiber gingen jedoch bankrott,und ein in Argentinien lebender Schweizer erkannte seine Chance.»Ricardo Roth kaufte kurzerhand alles Land entlang der Route undbegann, das Gebiet touristisch zu erschließen. 1913 führte er seineerste Reisegruppe mit fünf französischen Urlaubern in kleinen Kanusdurch die See-Passage. Heute fahren die mehr als 26 000 Touristen imJahr in modernen Motorbooten.

Am Ufer des Todos-los-Santos-Sees leben einige Menschen wieEinsiedler. Vor einem kleinen Haus stoppt die «Condor» plötzlich, umeinen Mann mit langem weißen Großvaterbart an Bord zu holen. «DieBoote sind für die Bewohner der einzige Kontakt zur Außenwelt», sagtUribe. «Wer einkaufen will, muss entweder schwimmen oder den Kapitänum eine Mitfahrgelegenheit bitten.»

Nach zwei Stunden Fahrt erreicht das Schiff den Anleger vonPeulla. Der Ort besteht lediglich aus einem alten Hotel, den Häusernder Angestellten sowie einer Schule. Auf mehreren Pfaden können dieNaturschönheiten des Ortes erkundet werden. Der Wald duftet nachMoos, in der Nähe rauscht ein Wasserfall.

Am Abend versammeln sich die Gäste im rustikalen Kaminzimmer desHotels. Wer die Reise nicht in der Dunkelheit fortsetzen möchte,übernachtet in einem der Zimmer. Am Morgen darauf müssen bis zumnächsten See rund 800 Meter Höhenunterschied überwunden werden - von150 auf 976 Meter. Die Straßen sind nicht befestigt, doch Fahrer Joséberuhigt die Gemüter: «Das mach' ich jetzt seit sieben Jahren», sagter. «Selbst bei Regen bin noch nie stecken geblieben.»

Gemächlich schaukelt der Wagen die Serpentinen hinauf. Nach zweiStunden erscheint eine kleine Grenzstation. In einer Holzhüttekontrolliert ein Zollbeamter die Pässe. Der erste See aufargentinischer Seite der Andenpassage ist erreicht. Die Landschaft umden Lago Frias ähnelt den Alpen: Schnee bedeckte Berge, schrofferFels und Tannenwald. Die Fahrt bis Puerto Alegre dauert 20 Minuten.

Die letzte Etappe führt über den großen See Nahuel Huapi bis indie Stadt San Carlos de Bariloche, die alle nur Bariloche nennen. DerNahuel Huapi ist ein Gebirgssee mit kristallklarem Wasser und anmanchen Stellen mehr als 500 Meter tief. Während der einstündigenBootsfahrt verändert sich auch die Landschaft. Die Vegetation wirdkarger und das Blau des Sees zum einzigen Farbtupfer in der sonststeppenartigen Umgebung.

In Bariloche endet die Anden-Überquerung. Die um die Jahr 1900 vonSchweizern gegründete 100 000-Einwohner-Stadt am Nahuel Huapi ist einbeliebter Urlaubsort. Dort gibt es rund 250 Hotels und Pensionen,zahlreiche Restaurants und Einkaufsgalerien.

Die größte Attraktion ist auch hier die Natur. Der Kondor hat anden schroffen Felsen um Bariloche sein Zuhause. Er ist mit einerSpannweite von mehr als drei Metern der größte aller flugfähigenVögel. Die Seen-Landschaft der Anden erlebt der Kondor meist ausbesonderer Perspektive: in Höhen von bis zu 7000 Metern.