Paragraph in Abfall-Satzung verunsichert viele Bürger
Roßlau/MZ. - "Begehe ich eine Ordnungswidrigkeit, kann ich vielleicht sogar bestraft werden, wenn ich Altpapier in eine Annahmestelle bringe?", lauten die Fragen, die sich so mancher Bürger stellte, als die vom Kreistag im März leicht veränderte Satzung im Amtsblatt veröffentlicht wurde.
Alles Humbug, meint Tobias Brückner, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Brandis mbH. Die Gesellschaft erfasst Altpapier über ein Netz von mehr als 50 Annahmestellen. Drei befinden sich in Dessau, eine in Roßlau.
"Die Bürger sind nicht verpflichtet, ihre alten Zeitungen in die Blaue Tonne zu werfen", sagt Brückner und beruft sich auf eine EU-Richtlinie, nach der sortiertes Altpapier kein Entsorgungsgut mehr ist und deshalb von den Kommunen auch keinem Überlassungszwang mehr unterworfen werden darf. "Altpapier ist vielmehr eine Handelsware, und wir sind Altpapierhändler", stellt der Geschäftsführer klar. In allen Bundesländern würden die Gesetze derzeit dem neuen EU-Recht angepasst, auch in Sachsen-Anhalt. Obwohl der Kreistag Anhalt-Zerbst im März die Entsorgungssatzung behandelt habe, sei "nicht einmal ansatzweise zu erkennen, dass das EU-Recht dabei berücksichtigt wurde", meint Brückner. Der Kreistag hatte einen Passus eingefügt, nach dem gemeinnützige Vereine nach Anmeldung beim Landkreis Altpapiersammlungen durchführen dürfen. Der im Paragraph 9 festgelegte Benutzungszwang für die Blaue Tonne wird außerdem im Paragraph 5, Absatz 4 relativiert, in dem es heißt, dass dieser nicht für solche Abfälle gilt, "deren Entsorgung außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen zugelassen ist". Im Pararaph 9 müsste es demnach eigentlich heißen, dass Altpapier über die Blaue Tonne entsorgt werden kann und nicht dass es darin "zu überlassen ist".
Seine Kunden seien tatsächlich verunsichert, hätten nach der Veröffentlichung der Satzung gefragt, ob seine Annahmestelle nun geschlossen werde, berichtete am Dienstag Günter Geisler, der seit zwei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Regina in der Magdeburger Straße 54 in Roßlau sowie in der Heidestraße 125 in Dessau Altpapier annimmt. "Und der Aufkauf ist zurückgegangen", ärgerte er sich.
"Viele Kunden stecken das Geld, was sie von mir bekommen, in die Sparbüchse der Kinder oder Enkel", erklärte Geisler, als ein mit Altpapier beladener Mercedes vorfuhr. "Da bleibe ich wenigstens in Bewegung", meinte Cornelia Walther, die kurz darauf ein mit Papierbündeln vollgepacktes Fahrrad zur Annahmestelle schob und sich dann über einen Euro und einige Cent freute, die es zur Belohnung gab.
Nach der Wende, so erinnert sich Geschäftsführer Brückner, sei den Bürgern eingeredet worden, Altpapier wäre ein Stoff, der kostenpflichtig entsorgt werden müsste. Heute, so Brückner, würden viele Kommunen, wie zum Beispiel die Stadt Halle, vom Entsorger für Altpapier sogar Geld bekommen.
"Auch wir berücksichtigen den Marktwert des Papiers und lassen den Bürger daran teilhaben", weist der Mann von der Verwertungsgesellschaft auf den kleinen Obolus für das Kilogramm hin. Für so manchen mit geringem Einkommen sei das durchaus ein willkommener Zuverdienst.
Im Jahr 2000 zahlte der Landkreis Anhalt-Zerbst für die Entsorgung einer Tonne Altpapier 159 Euro. In den Jahren zuvor hatte der Landkreis bis zu 184 Euro gezahlt. Diese Entsorgungskosten machten über Jahre rund 47 Prozent der von den Bürgern zu zahlenden Müllgrundgebühr aus (aktuell 74 Euro im Jahr für den Zwei-Personen-Haushalt). Noch im Jahr 2002 zahlte der Landkreis Anhalt-Zerbst für die Entsorgung einer Tonne Altpapier an die Firma Rethman (heute Remondis) 4,09 Euro. Die Bürger wurden dadurch über die Müllgrundgebühr mit 402 000 Euro belastet.
Heute, so war vom Umweltamtsleiter Harald Sänze zu erfahren, zahlt der Landkreis an den Papierentsorger 5,35 Euro je Einwohner, macht im Jahr rund 374 000 Euro, die über die Grundgebühr auf die Bürger umgelegt werden. Da das Papier in Anhalt-Zerbst über weite Strecken eingesammelt und transportiert werden müsse, seien die Verhältnisse hier nicht mit denen einer Großstadt vergleichbar, erklärt Sänze.