Nationalmannschaft Nationalmannschaft: Löw hat die Nase voll

Köln/dpa. - Löw beklagte zum Auftakt der Vorbereitung auf die beidenLänderspiele gegen Südafrika und Aserbaidschan in Kapitän MichaelBallack, Lukas Podolski, Mesut Özil und Torwart Robert Enke nicht nurgleich vier angeschlagene Akteure, die am Dienstag in Köln auch beimFitnesstest passen mussten, sondern ist auch genervt von den verbalenAngriffen einiger Vereinsvertreter. «Das ist über das Zielhinausgeschossen», konterte der 49-Jährige.
Die extrem scharfen Kommentare aus Bremen wegen der Ausbootung vonTorhüter Tim Wiese sowie das moderater geäußerte Unverständnis derVerantwortlichen von Bayer Leverkusen wegen der Nichtberücksichtigungdes führenden Bundesliga-Torschützen Stefan Kießling im Angriffanimierten Löw zu einer Grundsatz-Erklärung: «Wir haben allePersonalentscheidungen der Vereine, der Manager und der Trainerabsolut respektiert. Diesen Respekt erwarten wir genauso, was unsereEntscheidungen betrifft», sagte Löw und hob im Hinblick auf diehartumkämpfte WM-Qualifikation hervor: «Wir tragen auch dieVerantwortung und die Folgen.»
Das Leistungsprinzip und der Konkurrenzkampf stünden in derNationalmannschaft immer an erster Stelle. «Wir entscheiden nichtnach Vereinszugehörigkeit und Emotion.» Die Marschroute gebe alleiner mit seinem Trainerstab vor: «Wir haben einen ganz klaren Plan. Ichmuss vor Turnieren endgültige Entscheidungen treffen - nicht aktuell.Wir wollen nicht getrieben werden von Bundesliga-Spieltag zuBundesliga-Spieltag.»
Dass Kießling (4 Saisontore) aktuell ein Hoch hat, während der beiBayern München auf die Ersatzbank geratene Miroslav Klose und der mitdem 1. FC Köln fehlgestartete Podolski im Verein Frust schieben, istfür Löw kein Gradmesser. «Wir wissen, was Miro Klose für Deutschlandgeleistet hat», betonte der Bundestrainer. Und Podolski sei geradebei den großen Turnieren «ein mitentscheidender Spieler» gewesen.Mario Gomez und der Stuttgarter Cacau, der auf der Asienreise undbeim 2:0 in Aserbaidschan einen «guten Eindruck» hinterlassen habe,komplettieren die Offensive. «Die vier Stürmer reichen», so Löw.
Der Druck nimmt zu, auch auf den Bundestrainer. Das wohlentscheidende Spiel um den Gruppensieg am 10. Oktober in Moskau istbereits im Fokus, auch wenn Löw öffentlich widerspricht: «DasRussland-Spiel spielt im Moment keine Rolle. Wir müssen erst einmaldie nächsten Schritte machen. Wir brauchen die drei Punkte gegenAserbaidschan, wenn wir uns direkt qualifizieren wollen.» Die zehngemeinsamen Tage sollen trotzdem dazu dienen, für Russland in dieSpur zu finden. «Wir liegen punktemäßig mit 19 von 21 Zählern imSoll, aber die Dominanz im Spiel hat mir gefehlt», gab Löw zu. Fürdie noch nicht ausverkauften Partien in Leverkusen und Hannoverversprach er noch zögerlichen Anhängern: «Wir werden uns jetztsteigern - da bin ich sicher. Wir werden anders auftreten.»
Löw hat extra einen «erweiterten Kader» mit 23 Akteureneingeladen, um im Training Automatismen wieder einzuüben: «Die kannman nicht herbeireden.» Er plant «das eine oder andere Experiment» inden Länderspielen, etwa mit Shootingstar Özil. «Er kann kreativeImpulse geben», lobte Löw den U 21-Europameister, dessen Debüt in derStartelf allerdings gefährdet ist. Der talentierte Mittelfeldspielerlaboriert an einer Einblutung an der Kniescheibe. «Es ist aber nichtsDramatisches», beruhigte Löw.
Auch Ballack (Leistenprobleme), Podolski (muskuläre Probleme) undEnke, der an einem grippalen Infekt erkrankt ist, blieb derAusdauertest unter Leitung von Internist Tim Meyer erspart. MehrereLäufe, von 500 Meter aufwärts, standen auf dem Testplan; erstmalsabsolvierte die U 21-Auswahl ihren Fitnesstest parallel zum A-Team.Die Ergebnisse sollen schon am Mittwoch vorliegen. «Das muss auchgemacht werden», sagte der für seine Laufstärke bekannte MünchnerPhilipp Lahm zur unbeliebten Überprüfung mit der Blutabnahme am Ohr.
Nach der Festlegung auf Enke als Torwart auch im Russland-Spielwird in Abwehr, Mittelfeld und Angriff noch heftig um die Plätze fürMoskau gerangelt. «Wir haben das vor Augen, dass unser 2:0 zuletzt inAserbaidschan noch nicht 1a war», sagte Per Mertesacker. Nicht nurder Abwehrchef weiß, was im Endspurt um die WM-Teilnahme 2010 inSüdafrika auf dem Spiel steht: «Die nächsten Wochen werdenentscheidend sein für die Zukunft des deutschen Fußballs.»