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Nationalmannschaft Nationalmannschaft: Erster Klasse zur Asien-Tortur

Von Oliver Hartmann und Klaus Bergmann 13.12.2004, 15:29
Der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jürgen Klinsmann, geht am Montag (13.12.2004) vor der Abreise der Mannschaft nach Tokio über das Rollfeld des Flughafens von Frankfurt am Main. Auf der zehntägigen Asienreise werden die Kicker drei Freunschafts-Länderspiele bestreiten. (Foto: dpa)
Der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Jürgen Klinsmann, geht am Montag (13.12.2004) vor der Abreise der Mannschaft nach Tokio über das Rollfeld des Flughafens von Frankfurt am Main. Auf der zehntägigen Asienreise werden die Kicker drei Freunschafts-Länderspiele bestreiten. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Yokohama/dpa. - 30 Flugstunden, drei Länder, zwei MalZeitumstellung und dazu noch extreme Klimawechsel: Der Asientrip wirdfür die deutschen Nationalspieler zur Tortur - und trotzdem willJürgen Klinsmann keine Klagen mehr hören. «Wir freuen uns sehr aufdiese Reise. Sie ist ein weiterer Lernbaustein auf dem Weg zurWeltmeisterschaft», entgegnete der Bundestrainer am Montag beimAbflug zur Testspiel-Reise nach Japan, Südkorea und Thailand allenKritikern. Abgesehen von den 270 Länderspiel-Minuten in Yokohama,Busan und Bangkok («Da wollen wir Gas geben») möchte derBundestrainer den strapaziösen Zehn-Tage-Trip nach Fernost mit «vielFreizeit und Weihnachts-Shopping» so angenehm wie möglich gestalten.

Dies bekam die 17-köpfige Reisegruppe am Montag nach einemWaldlauf am Morgen schon auf dem anschließenden Elf-Stunden-Flug zurersten Station Tokio zu spüren. Während sich Michael Ballack & Co. inder für die Spieler reservierten ersten Klasse des Lufthansa-Jumbosausbreiten konnten, begnügten sich Klinsmann und Team-Manager OliverBierhoff mit Plätzen in der Business Class. An Bord fehlte neben denStuttgartern Timo Hildebrand, Kevin Kuranyi, Andreas Hinkel undPhilipp Lahm, die erst nach ihrem UEFA-Cup-Spiel mit dem VfB amMittwoch gegen Dinamo Zagreb zum zweiten Testspiel in Südkoreanachreisen werden, auch der Schalker Christian Pander. Eine Kernspin-Untersuchung bei dem Debütanten ergab, dass ein leichterBandscheibenvorfall Ursache für seine Muskelprobleme ist.

«Regeneration steht im Vordergrund. Wir werden wenig auf dem Platztrainieren, weil die Spieler unter einem hohen Rhythmus standen inden letzten Monaten. Wir werden mehr Training im Fitness-Raum derHotels machen», beschrieb Klinsmann das Programm für die Tage bis zurLänderspiel-Premiere gegen Japan am Donnerstag (12.10 Uhr/ZDF) im WM-Stadion von Yokohama und den anschließenden Partien gegen Südkorea amSonntag sowie Thailand 48 Stunden später. Der Bundestrainer gab sichalle Mühe, die späte Goodwill-Tour für Asiens Stimmen beiDeutschlands erfolgreicher Bewerbung um die WM 2006 als Chance undnicht als Last für sein urlaubsreifes Personal darzustellen.

Der bis zum Japan-Spiel nicht auszugleichende Jet-Lag durch achtStunden Zeitverschiebung gilt dabei für Klinsmann («Da muss mandurch») ebenso wenig als Ausrede wie die Unerfahrenheit des Kaders.In dem stehen auch nach dem Ausfall von Pander mit Patrick Owomoyela,Marco Engelhardt, Christian Schulz und Aushilfs-Torhüter SimonJentzsch immer noch vier Debütanten. «Diese Spieler sindhochmotiviert. Sie wittern die Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen.Wer in Asien dabei ist, hat die Chance, sich einen Vorteil zuerspielen», meinte Klinsmann, der betonte, dass außer TorhüterJentzsch alle Spieler mindestens einmal zum Einsatz kommen sollen.

Der 40-Jährige will auf der längsten Dienstreise seinerfünfmonatigen Amtszeit die Spieler noch besser kennen lernen, dasWir-Gefühl der WM-Hoffnungsträger stärken und seinen Erneuerungskurskonsequent vorantreiben. So stößt in Yokohama erneut einer der US-Fitnesstrainer zum Team, die der DFB-Auswahl schon vor dem Brasilien-Länderspiel im September in Berlin Beine gemacht hatten. Erstmalsdabei ist der Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann. «Er wird sich inden Medizinerstab einarbeiten und Schritt für Schritt ein paar Dingeerkunden. In anderen Sportarten ist der Einsatz von Psychologen seit'zig Jahren normal. Im Fußball ist ihre Einbindung überfällig»,meinte Klinsmann.

Ob Hermann positive Erlebnisse umsetzen darf oder alsSeelentröster für die in der Klinsmann-Ära noch ungeschlagenenNationalspieler fungieren muss, bleibt abzuwarten. Zuspruch hatte vorallem Stammkeeper Oliver Kahn nach seinem Fangfehler am Samstag beim2:2 gegen den VfB Stuttgart nötig. Der 35-Jährige stapfte wortlos zurAbreise, bekannte sich via «Bild»-Zeitung aber zu seinem «Fehler» undentgegnete auf die von Franz Beckenbauer initiierte Alters-Diskussiondiese Worte: «Was hat das Alter damit zu tun, dass mir der Ballwegspringt? Wenn ich an die Schüsse nicht mehr rankommen würde, okay,aber ich fliege ihnen ja nicht hinterher.»

Zumindest die Rückendeckung von Klinsmann («Er ist ein Weltklasse-Torhüter») ist dem von einer Kapselverletzung am Ringfingergehandicapten Kahn sicher. Ebenso sein Einsatz am Donnerstag an derWM-Endspielstätte von 2002, wo er nach einem grandiosen Turnier die0:2-Niederlage gegen Brasilien mit einem Fehler eingleitet hatte. «Eswird nicht einfach, ein Erfolgserlebnis aus Japan mitzunehmen. Diesind nicht umsonst Asienmeister», warnt Klinsmann vor der Spielstärkedes vom brasilianischen Weltstar Zico trainierten Auftakt-Gegners,den er ausführlich auf Video studiert hat: «Hoffentlich geht es gut.»