Nachwuchs Nachwuchs: Kinderhandel? Sinnvolle Förderung?
Halle (Saale)/MZ. - Sie fallen nicht auf. Sie mischen sich unters Publikum und beobachten Fußballspiele. Sie ziehen ihre Notizbücher, machen sich ein paar Stichpunkte - und dann schauen sie wieder nur.
So oder ähnlich finden Spielerberater und -beobachter, die sogenannten Scouts, ihre Klienten. Und eben diese Klienten werden immer jünger. Der Nachwuchs-Fußball ist längst ein Geschäft geworden. Und wenn am Wochenende in Halle 26 Vereine, darunter zehn Bundesligisten, zu einem der bestbesetzten D-Jugendturniere der Republik anreisen, dann ist dies auch ein Marktplatz - eine wahre Fundgrube für jeden Scout.
Insgesamt 19 Beobachter haben sich angemeldet. 15 kommen von Agenturen, vier von den Bundesligisten Hannover 96, 1. FC Köln, Hertha BSC, und VfL Wolfsburg.
Bundesligisten holen 13-Jährige
Die Arbeit der Scouts ist zurzeit in aller Munde. Die beiden Erstligisten Wolfsburg und 1899 Hoffenheim waren vorige Woche mit der Verpflichtung von 13-jährigen Spielern in die Schlagzeilen geraten. Hoffenheim holte Nico Franke von Tennis Borussia Berlin, Wolfsburg Alexander Laukart vom FC St. Pauli.
Seitdem diskutiert Fußball-Deutschland. Ist es sinnvolle Nachwuchsförderung oder doch Kinderhandel?
Ex-Profi Christian Ziege, beim Deutschen Fußball-Bund für die U-18-Junioren verantwortlich, ist gegen den Transfer von Kindern. Zum Fall Laukart sagt er: "Felix Magath ist für mich der liebe Gott, wenn er heute sagen kann, dass ein 13 -Jähriger künftig in der Bundesliga spielt." Ziege ist überzeugt, "dass der Junge dort, wo er zu Hause ist, genauso gut ausgebildet werden kann".
Magath, Wolfsburgs Trainer und Manager, argumentiert für die Gegenseite: "Ich weiß nicht, was diese Heuchelei wieder soll. International ist das gang und gäbe." Die Nachwuchs-Förderung sei vom Deutschen Fußball-Bund gewollt. Tatsächlich ist jeder Profi-Verein verpflichtet, sogar ein Internat zu betreiben.
Soziale Herkunft spielt eine Rolle
Beide Seiten haben gute Argumente. Gerade deshalb werden immer mehr Stimmen laut, die Diskussion nicht allgemein, sondern konkret für jeden einzelnen Fall zu führen. Markus Hein arbeitet für die Agentur Rogon Sportmanagement, die neben Deutschland auch den Markt in der Schweiz, den USA und Brasilien sondiert. Nebenbei ist der 43-Jährige Stadionsprecher des Halleschen FC. "Seriös arbeitende Scouts sprechen die Jungs an und suchen parallel den Kontakt zu Eltern und Verein", sagt er und schildert ein eindringliches Beispiel. "Ich habe im letzten Jahr einen 14-Jährigen von RB Leipzig zu Werder Bremen gebracht. Der Junge war nach dem Tod des Vaters psychisch in ein Loch gefallen. Er musste ganz einfach aus seinem Umfeld heraus, um wieder eine Chance zu haben."
Diesen individuellen Ansatz verfolgt auch Willy Kausch, der Berater des 13-jährigen Neu-Hoffenheimers Nico Franke. "Nico kommt aus einem nicht ganz einfachen Umfeld in Berlin", sagt er. "Seine Mutter erzieht allein fünf Kinder." Die soziale Frage, so viel ist klar, ist nicht zu unterschätzen.
Zwar werden in diesem Altersbereich keine Ablösen bezahlt - zumindest nicht offiziell. Doch um den Talenten und ihren Eltern einen Wechsel schmackhaft zu machen, locken große Klubs auch mit speziellen Angeboten. Und gerade ein schwieriges soziales Umfeld spielt ihnen dabei in die Karten. "Arbeitslosen Eltern werden Jobs angeboten, anderen besser dotierte Arbeitsstellen. So etwas können die großen Vereine, vor allem die, die Riesenfirmen dahinter stehen haben", sagt Hein. "Daran finde ich aber auch nichts Verwerfliches."
Fakt ist: Der Kampf um die immer jüngeren Talente wird schärfer. Und der DFB hat keine Regelungen, um das zu verhindern. "Wir betrachten den Trend mit Argwohn. Aber wir haben national keine Möglichkeit zum Eingreifen", sagte Generalsekretär Wolfgang Niersbach bei Bild.de. Erst ab der Altersklasse U 15 greift das eigene Sichtungsprogramm des Verbandes. Und bei regelmäßigen Turnieren der Länderauswahlen werden die Talente den Scouts der Bundesliga-Klubs quasi auf dem Servier-Teller präsentiert. "Da fehlt keiner. Da kommen die großen Klubs mit ganzen Abordnungen", schildert Markus Hein. Deshalb versuchen eigenständige Agenturen, Berater und Scouts, den Fuß bereits viel früher in die Tür zu bekommen. Bei Zwölf- und 13-Jährigen, bei jener Altersklasse, die sich am Wochenende in Halle vorstellen wird.
Hein wird dann auch dabei sein - als Hallensprecher, wie er betont. "Und zwar nur als solcher."