Motocross-WM Motocross-WM: Lokalmatador Roczen wird in Teutschenthal gefeiert

Teutschenthal/MZ. - Nach dem Rennen stieg Ken Roczen erneut auf eine ungewohnte Maschine. Allerdings nicht auf die für ihn neue 450 Kubikmeter-Rennmaschine, sondern auf ein Minimotorrad. Selber steuern brauchte er auch nicht mehr. Der 18-Jährige saß auf dem Sozius hinter einem Teammitglied und ließ sich zu seinem Wohnmobil in den privaten Teil des Campingplatzes chauffieren.
Zuvor hatte der deutsche Motocross-Superstar, der seit dieser Saison in den USA fährt und im Talkessel in Teutschenthal sein einziges Rennen in der Heimat fuhr, einen besonderen Erfolg auf einem ungewohnten Zweirad eingefahren. Roczen, der in Amerika mit der kleineren 350 Kubikmetermaschine antritt, fuhr nach zwei MX-1 Rennen, der Königsklasse des Motocross, auf Gesamtrang zwei. Hinter dem unschlagbaren Weltmeister Antonio Cairoli aus Italien, der bei den letzten sechs Saison-Stationen der WM jeweils beide Läufe gewonnen hatte. "Für meinen ersten Auftritt in dieser Klasse, im Neuland, kann ich mich nicht beschweren", sagte Roczen. Denn die MX1-Maschine ist deutlich schwerer und stärker als seine gewohnte. "Die Leistung ist brutal, gerade auf der engen, tiefen Strecke hier in Teutschenthal", sagte Roczen: "Daran muss man sich gewöhnen."
Das fiel im ersten Lauf des Heim-Grand-Prix noch deutlich schwerer. In der zweiten Runde ging Roczens Motor aus, so dass er von Rang zwei auf vier zurückfiel. "Ich hatte Kupplungsprobleme, darum ist mein Motorrad verreckt", so Roczen. Trotz dieses Malheurs konnte der gebürtige Mattstedter noch den dritten Platz erkämpfen. "Damit musste ich zufrieden sein. In den letzten Runden war meine Brille kaputt, so dass ich viel Sand in die Augen bekommen habe", erklärte Roczen.
Dabei profitierte er im ersten Rennen auch von einem Fahrfehler seines Landmannes Max Nagl. Der 25-Jährige krachte nach 15 Minuten in Führung liegend in den Fangzaun. "Es war einfach extrem ärgerlich. Ich bin in den Zaun gerutscht und dann hat sich mein Motorrad darin auch noch richtig eingewickelt", sagte Nagl: "Es hat unglaublich viel Zeit gekostet, es wieder rauszuholen." Er fiel auf Rang sieben zurück, wodurch Roczen aufs Podium fahren konnte.
Das zweite Rennen war dann eine klare Sache. Von der ersten Runde an führte der Weltmeister Cairoli ungefährdet vor Ken Roczen. Dahinter lieferten sich Nagl und der Weltmeisterschaftszweite Desalle (Frankreich) einen packenden Kampf um den dritten Rang. Mit dem besseren Ende für den Deutschen. "Das Podium im zweiten Rennen war ein versöhnlicher Abschluss für mich", sagte Nagl, der in der Addition der beiden Läufe als Vierter das Siegertreppchen nur knapp verpasste. So durfte Ken Roczen neben dem Weltmeister Cairoli Platz nehmen. Die Sympathien waren bei der Siegerehrung klar verteilt. Als Roczens Name aufgerufen wurde, brandete ein lautstarker Beifall im Talkessel bei den rund 40 000 Zuschauern auf. Fast schien es so, als ob Roczen und nicht Cairoli Weltmeister geworden sei. "Die Atmosphäre hier ist einfach Wahnsinn. Ich habe das Gefühl, es werden von Jahr zu Jahr mehr Zuschauer", sagte Roczen, der seit Jahren Mitglied im gastgebenden Motorsportclub Teutschenthal ist.
Mit dem Rennen im Talkessel ist für ihn die Saison und damit sein Europa-Gastspiel noch nicht beendet. Am kommenden Wochenende tritt er mit der deutschen Nationalmannschaft beim Cup of Nations im belgischen Lommel gemeinsam mit Nagl an. "Eine Prognose ist schwierig, aber wir haben eine gute Chance", meint Roczen. Danach steht für ihn erst einmal eine weit unangenehmere Veranstaltung auf dem Programm. Roczen muss sich eine Metallplatte aus dem Handgelenk operieren lassen.
Und dann geht auch schon bald die neue Saison in den USA los. Trotz des ganzen Stresses: Roczen macht den Fans in Teutschenthal Hoffnung, dass er nächstes Jahr wieder im Talkessel an den Start geht. "Das hier ist eine Herzensangelegenheit. Ich werde, wenn es der Terminplan zulässt, wieder an den Start gehen." Dann hat er sich vielleicht so an die schwerere Maschine gewöhnt, dass er noch einen Platz weiter nach vorn kommen kann. Der Teammanager beim Motorradhersteller KTM und ehemalige Motocrossfahrer, Pit Beirer, prophezeit: "Ken kommt reifer nach Europa zurück und kann hier, wenn er will, künftig dominieren."