Martin Lauer wird 70 Martin Lauer wird 70: Leichtathletik ist eine «Zirkus-Nummer»
Stuttgart/dpa. - Als Leichtathlet stellte er zwei Weltrekorde aneinem Tag auf, als Sänger verkaufte er über vier MillionenSchallplatten und als Mensch meisterte er so manchen Schicksalschlag.Der frühere Hürdensprinter Martin Lauer wird an diesem Dienstag 70Jahre alt. Viel Freude hat der gebürtige Kölner, der mit seiner FrauChrista im bayrischen Lauf lebt, nicht mehr an seiner Sportart. «Ichbin bereit, das Ganze nur noch als Zirkus-Nummer zu betrachten. Manweiß ja als Zuschauer gar nicht mehr, ob man noch jubeln darf oderschon misstrauisch sein muss», sagt er angesichts derDopingproblematik.
Lauer reagiert darauf oft nur noch mit Sarkasmus. «Ich hätte daein paar skurrile Ideen», erklärt der Diplom-Ingenieur. «Man könnteja bei Sportfesten Lügendetektoren aufstellen. Wenn der Zeigerausschlägt: Bitte, meine Damen und Herren, hier lang - wir haben auchein Sportfest für Doper. Zur anderen Seite geht es zu den OlympischenSpielen.» Die Zeiten, als bei den Athleten die Unschuldsvermutunggalt, sagt er dann ganz ernst, «sind eigentlich vorbei».
Zu Lauers Glanzzeiten galt diese noch. Am 7. Juli 1959 sorgte derEuropameister in Zürich für eine Sensation, als er erst die 110 MeterHürden in 13,2 Sekunden und 45 Minuten später die 200 Meter Hürden in22,4 Sekunden lief - so schnell wie niemand zuvor. So wurde er alsbisher einziger Deutscher «Welt-Leichtathlet des Jahres». Lauer warzudem einer der vielseitigsten Leichtathleten. In seinem erstenZehnkampf mit 19 Jahren wurde er gleich deutscher Meister, späterstellte er mit 7955 Punkten einen nationalen Rekord auf.
Bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne belegte Lauer Rangvier über 110 Meter Hürden und wurde Fünfter im Zehnkampf. So spät imNovember hatte er seine Topform nicht mehr abrufen können. 1960 inRom ließ der Zeitplan einen Doppel-Start nicht zu. In derVorbereitung war er schon durch eine Knochenhautentzündunggehandicapt, als Vierter verpasste er dann in seiner Paradedisziplinerneut Edelmetall. Aber zusammen mit Armin Hary, Bernd Cullmann undWalter Mahlendorf triumphierte er über 4 x 100 Meter. «Dann werde icheben 1964 Zehnkampf-Olympiasieger», kündigte Lauer damals an.
Doch es kam anders: Eine verunreinigte Injektionsnadel führte 1961zu einer Blutvergiftung im Fußgelenk. Der 24 Jahre alte Lauer wurdeOpfer einer ganzen Kette von ärztlichen Fehlern. Die Medizinerkämpften um sein Leben, beinahe wäre sei Bein amputiert worden. Indieser Zeit schlug das Schicksal noch einmal unbarmherzig zu: SeineVerlobte Edith Arnold verunglückte tödlich auf der Rückfahrt voneinem Besuch an seinem Krankenbett. Sein Bruder Fredy starb Jahrespäter an den Folgen des Autounfalls.
Lauers sportliche Karriere war zu Ende. Zu den Sommerspielen 1664in Tokio, wo sein Kumpel Willi Holdorf Zehnkampf-Gold holte, reisteer auf Krücken und als Journalist. Ein Jahr lang hatte Lauer imKrankenhaus liegen müssen. Noch heute hat er nachts oft Schmerzen.«Sie müssen sich das so vorstellen, als ob sie vor 40 Jahren einenPlatten hatten und heute immer noch auf der Felge fahren», erklärtLauer.
Noch vom Krankenbett aus startete er damals mit Akkordeon,Saxofon, Gitarre und Stimme seine musikalische Karriere, um dieKosten seiner medizinischen Behandlung sowie seines Studiums zubestreiten. Über dreißig Titel - darunter «Taxi nach Texas» und «Dieletzte Rose der Prärie» nahm er auf. «Ich weiß nicht, wie man sichmit 70 fühlt. Über diesen Umstand denke ich nach, wenn ich 90 bin»,sagt der dreifache Großvater Lauer.
