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Luftsport Luftsport: Hans-Werner Grosse wird 85

Von Karl Morgenstern 27.11.2007, 16:42
Segelflieger Hans-Werner Grosse steht in der Werkshalle des Luftsportverbandes Schleswig-Holstein in Lübeck (Archivfoto vom 28.11.2000). Grosse, der deutsche «Weltrekordflieger vom Dienst», wird am Donnerstag 85 Jahre alt. Der Lübecker Kaufmann, der am 29. November 1922 in Swinemünde (Swinoujscie) geboren wurde, begann 1938 seine Segelflugausbildung. (Foto: dpa)
Segelflieger Hans-Werner Grosse steht in der Werkshalle des Luftsportverbandes Schleswig-Holstein in Lübeck (Archivfoto vom 28.11.2000). Grosse, der deutsche «Weltrekordflieger vom Dienst», wird am Donnerstag 85 Jahre alt. Der Lübecker Kaufmann, der am 29. November 1922 in Swinemünde (Swinoujscie) geboren wurde, begann 1938 seine Segelflugausbildung. (Foto: dpa) dpa

Lübeck/dpa. - Der Mann ist ein Phänomen: Hans-Werner Grosse, derdeutsche «Weltrekordflieger vom Dienst», wird am Donnerstag 85 Jahrealt. Und er fliegt und fliegt wie seit fast 70 Jahren. Der LübeckerKaufmann, der am 29. November 1922 in Swinemünde (Swinoujscie)geboren wurde, begann 1938 seine Segelflugausbildung. Im ZweitenWeltkrieg war er als Oberleutnant Flugzeugführer in einemTorpedogeschwader. In den 70er, 80er und 90er Jahren stellte er 49Weltrekorde im Segelfliegen auf und damit wesentlich mehr als jederandere Pilot der Welt.

Grosse imponiert noch immer durch seine beispiellose Fitness. Erläuft zwei- bis dreimal pro Woche 5000 bis 10 000 Meter, fliegt fasttäglich mit dem Segelflugzeug und hat in diesem Jahr noch als Gast anden internationalen Militärmeisterschaften der Segelflieger imbrandenburgischen Holzdorf und an den Vor-Weltmeisterschaften inLüsse südlich von Berlin, dem Austragungsort der Segelflug-Weltmeisterschaften im Sommer 2008, teilgenommen. Im Winter wirdSkilanglaufen in Samedan in der Schweiz betrieben, wo die Grosses einChalet besitzen.

Ehefrau Karin, die mit ihm mehrere Doppelsitzer-Weltrekordeaufgestellt hat, antwortet auf die Frage, wie oft der Oldtimer nochin die Luft geht: «Eigentlich immer, wenn das Wetter gut ist.Meistens mit dem Segelflugzeug, seltener mit dem Motorflugzeug.» 400-oder 500-Kilometerflüge über Nord- und Ostdeutschland sind für denrüstigen Piloten nach wie vor keine Seltenheit. Karin Grosseformuliert es so: «Für Hans-Werner ist das Flugzeug das Gleiche wiefür andere das Auto. Wenn's geht, fliegt er lieber.»

Sein spektakulärster Weltrekord hatte über 30 Jahre lang allenAngriffen der weltbesten Piloten stand gehalten, ehe er überbotenwurde. Diese Rekordmarke trug ihm nicht nur einen Platz im «GuinnessBuch der Rekorde», sondern auch die Ehrenbürgerschaft desfranzösischen Badeortes Biarritz am Atlantik ein: Am 25. April 1972bewältigte er mit einer ASW 12 von Lübeck nach Biarritz in elfeinhalbStunden 1460,8 Kilometer. Nonstop und motorlos.

Heute fliegt Grosse meist mit der «eta», dem leistungsfähigsten,größten und teuersten Segelflugzeug der Welt. Die «eta» hat eineSpannweite von 30,90 Metern. Die ersten zweistrahligenVerkehrsflugzeuge Boeing 737 kamen nur auf 28 bis 29 Meter. Dergriechische Buchstabe eta ist in der Welt der Technik das Symbol fürden Wirkungsgrad. Grosse besitzt eines der fünf existierendenExemplare, dessen Preis sich auf 500 000 bis 600 000 Euro beläuft.Herkömmliche Hochleistungssegelflugzeuge kosten 150 000 bis 200 000Euro. Kein Wunder, dass die meisten guten Piloten davon träumen,einmal die «eta» fliegen zu dürfen. Bei den Weltmeisterschaften 2003im Leszno/Polen hatte «HWG» seine «eta» sogar seinem polnischenFreund und Doppelweltmeister Janusz Centka zur Verfügung gestellt.

Grosse, der 1971 mit der Lilienthal-Medaille, der höchstenAuszeichnung des internationalen Luftsportverbandes FédérationAéronautique Internationale (FAI) geehrt wurde, hat die meistenseiner Weltrekorde in Australien aufgestellt. Berühmt wurden vorallem zwei Doppelsitzer-Weltrekorde. Phänomenale 170,9 Kilometer inder Stunde Durchschnittstempo erreichte er mit seiner Frau in einerASH-25 über eine 300-Kilometer-Dreiecksstrecke. Mit Hans-HeinrichKohlmeier bewältigte er mit einer ASH-25 einen in den 80er Jahreneigentlich unvorstellbaren 1379,35-Kilometer-Dreiecksflug überAustralien mit dem Schnitt von 143,46 Stundenkilometern.

Grosse, der Ende des Zweiten Weltkrieges mit einer Ju 88 naheToulon abgeschossen wurde, aber aus dem Mittelmeer geborgen werdenkonnte, hatte aus diesen Erfahrungen schnell seine Lehren gezogen.«Ich habe mich einmal in meinem Leben verführen lassen. Das wird mirnie wieder passieren», lautete die Maxime des jungen Fliegers,nachdem er den Krieg überlebt hatte. Heute bekennt er auch: «Fliegenist viel zu schön, als dass man es allein den Militärs überlassendarf.» Seinen jungen Nachfolgern schreibt er ins Stammbuch: «Zu vieleFlieger haben immer noch die unselige Einstellung, Fliegen habe etwasmit Mut zu tun. Mut in der Fliegerei birgt immer die Gefahr, inDummheit auszuarten.» Hasardeure und «tollkühne Flieger», so derJubilar, haben in der Fliegerei nichts zu suchen.